Hoehenfieber
gefahren war. Gab es Neuigkeiten über die Entführung? Er wusste doch, dass sie genauso brennend auf eine Nachricht wartete wie jeder andere.
Seit Fadi aus dem Palazzo zurückgekehrt war, wo er einige Stunden an der Seite seines erkrankten Vaters verbracht hatte, war die Situation nicht besser geworden. Er hatte kaum mit ihr gesprochen. Wahrscheinlich nahm er es ihr übel, dass sie sich geweigert hatte, in den Palazzo zurückzukehren und Sadia ebenfalls zur Rückkehr zu überreden. Anstelle dessen war Fadi unerwartet hergekommen. Mit seinem Auftauchen hatte sie nicht gerechnet und sie spürte trotz der bedrückenden Stimmung eine leise Freude, dass er wohl doch wusste, an welche Seite er in dieser Situation gehörte.
Die Situation riss an den Nerven aller.
Daher war Alessa unschlüssig, ob sie die Gästesuite verlassen und zu Sadia hinübergehen sollte. Vielleicht war Fadi bei ihr. Bei einem Gespräch zwischen Mutter und Sohn wollte sie nicht stören.
Sie trat an eines der bodentiefen Fenster und lehnte die Stirn an das Glas. Es war binnen weniger Minuten dunkel geworden und die Raumbeleuchtung hatte sich automatisch eingeschaltet. Noch hatte sie sich längst nicht daran gewöhnt, dass in Dubai noch früher die Nacht anbrach als zu Hause. Dabei war es gerade mal kurz nach sieben. In Italien genossen sie eine Stunde länger den Tag und die Dämmerung ging nicht ganz so abrupt in tiefste Nacht über.
Das Licht spiegelte sich in der Scheibe. Alessa legte beide Hände neben ihre Schläfen und verdunkelte ihr Sichtfeld. Aus der Nacht schälten sich einige Palmen, deren Wedel sich sanft im Mondlicht wiegten. Ein heller Streifen schlängelte sich zwischen ihnen hindurch: der mit weißen Kieselsteinchen belegte Weg, der zum Haus von Sadias Mutter führte. In der anderen Richtung lagen weitere Villen, in denen Fadis Onkel und Tanten wohnten. Die Anlage musste mehrere Tausend Quadratmeter umfassen, konnte aber längst nicht so weitläufig sein wie das Areal des Palazzos. Noch immer hatte sie das Ausmaß des Reichtums dieser Familie nicht erfasst. Alessa stammte nicht aus schlechten Verhältnissen. Ihr Vater besaß mehrere Häuser und Grundstücke in Rom und arbeitete als angesehener Spezialist in einer noblen Privatklinik, die sich ausschließlich der chirurgischen Kosmetik widmete. Als Alessa Fadi an der Uni kennengelernt hatte, wusste sie sofort, dass er aus ungleich höheren finanziellen Verhältnissen stammte. Es war ihr nicht wichtig gewesen, sie hätte sich auch in ihn verliebt, wenn er arm wie eine Kirchenmaus gewesen wäre. Die bissigen Bemerkungen ihrer Kommilitoninnen und sogar ihrer besten Freundinnen versetzten ihr trotzdem noch immer Stiche. Pure Eifersucht. Alessa hatte sich den bestaussehendsten Typen und gleichzeitig die begehrteste Partie in ganz Rom geangelt.
Mit wohligem Schaudern dachte sie an Fadis ebenmäßiges Gesicht. Seine Züge schienen wie gemeißelt, glatt, vollendet, wunderschön. Dunkle Augenbrauen zogen eine leicht gewölbte Linie über seine Augen mit unendlich langen Wimpern. In seinen Pupillen schien ein Feuer zu glimmen, wenn sie sich küssten. Ein aufbrausender Sturm, wenn einer ihrer Kommilitonen ihr einen etwas zu langen Blick zuwarf. In dem silbernen Funkeln las sie jede seiner Gemütsbewegungen ab. Fadi liebte sie aufrichtig, daran hegte sie keinen Zweifel. Das hatte sie von der ersten Sekunde an fest geglaubt und sich auch nicht von ihrem Vater von der Entscheidung abbringen lassen, ihr Studium für eine Weile zu unterbrechen und Fadi nach Dubai zu begleiten.
Ach, was dachte sie da. Von ihrem Papà ließ sie sich schon gar nicht von einer Entscheidung eine Beziehung betreffend abbringen. Zwar verstanden sie sich in der Regel sehr gut, doch in Bezug auf Zwischenmenschliches gab er ein mehr als zweifelhaftes Vorbild ab. Sie konnte die Frauen nicht mehr zählen, die seit dem Tod ihrer Mutter vor über fünfzehn Jahren in das Stadthaus in Rom ein- und wieder ausgezogen waren.
Nach langer Diskussion hatte ihr Vater nachgegeben und ihr viel Glück gewünscht. Sie war zwanzig, alt genug, ihre eigenen Beschlüsse zu fassen. Fünf Tage älter als Fadi, der kurz vor ihrer Abreise noch seinen Geburtstag in einem rauschenden Fest gefeiert hatte. Dabei war es zwischen ihnen fast zum Sex gekommen.
Sie lachte leise auf. Eigentlich hätte jede andere rassige italienische Schönheit ihren Liebhaber zum Teufel gejagt, wenn er kurz vor dem letzten Schritt einfach eingeschlafen wäre. Doch sie
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