Hoehenfieber
erhaschte einen Blick auf das wutverzerrte Gesicht des Kerls, dessen Eier Bekanntschaft mit seiner Kniescheibe gemacht hatten. Gnade würde er weder selbst erfahren noch walten lassen.
Verbissen drehte und wand Virge seine Handgelenke in dem Kabelbinder, mit dem gleichen negativen Ergebnis wie seit Stunden. Fuck! Die Stimme kannte er.
Unter lautstarkem Protest wurde der Bauer auf den Platz geschoben.
„Dieser Mann“, sagte Mr. Allmächtig leise und in kultiviertem Englisch, „hat uns bereits bestätigt, dass Sie zu sechst seine Gastfreundschaft in Anspruch genommen haben. Wollen Sie Ihre Antwort also noch einmal überdenken?“ Er schwenkte seine Uzi herum und zielte auf die Brust des Bauern.
„Okay. Wir wissen nicht, wer der Mann ist. Er war verletzt und wir haben ihm geholfen, das Flugzeug zu verlassen.“ Was interessierte es die Soldaten, wer der Unsichtbare war? Er war ohnehin längst über alle Berge.
„Wissen Sie, es ist schlecht, unliebsame Zeugen laufen zu lassen.“ Der Kubaner rieb sich über sein frisch rasiertes Kinn. „Sie alle sind so oder so tot. Wir erörtern hier ausschließlich die Frage, ob Sie und ihre Freunde“, er warf einen Blick über die Schulter zu Quinn und Vanita, „ihre Freundinnen eingenommen, einen schnellen oder einen qualvollen Tod sterben wollen.“
Die Augen seines Gegenübers blitzten in Eiseskälte auf. Virgin erkannte die Sinnlosigkeit jeden Versuchs, mit dem Mann zu verhandeln. Er sah in dem kalten Blick auch die Gleichgültigkeit, mit der das Todesurteil für hundertfünfzig Menschen an dem Kerl vorüberging.
Das hier war endgültig, wenn nicht ein Wunder geschah. Wahrscheinlich hatten die Kubaner am Morgen ihr Ziel erreicht und eine Öffnung zum Laderaum geschaffen, die groß genug war, um die Kisten mit dem Geld zu bergen. Der Lastwagen stand allerdings noch unverändert wie am Abend zuvor neben dem Flugzeugwrack. Jetzt ging es nur noch darum, die Spuren zu verwischen. Es durfte kein Zeuge übrig bleiben. Nur dumm für die Kubaner, dass Mr. Invisible verschwunden war, obwohl Virge nicht glaubte, dass die Welt deshalb auch nur ein Körnchen mehr Wahrheit erfahren würde. Der Kerl würde im wörtlichen Sinne bleiben, was er war: u nsichtbar. Auf keinen Fall würde er sich der Öffentlichkeit stellen. Wie sollte er erklären, als blinder Passagier anwesend gewesen zu sein? Selbst wenn ihm dafür noch eine Begründung einfallen würde, wie stände es mit dem höchst unglaubwürdigen Umstand, dass ihm als Einziger die Flucht gelungen war? Das absolute K.-o.-Kriterium war allerdings, dass garantiert kein Mitglied des CT-Teams auch nur ein Wort mit einem Journalisten wechseln würde, um die Aufmerksamkeit der Welt auf sich zu lenken, aber das konnte der Kubaner nicht wissen.
„Nun gut. Wir werden es auch so herausfinden.“ Eine Salve fegte den Bauern von den Füßen, sein Körper schleuderte nach hinten und prallte gegen den Reifen eines Jeeps.
Quinn und Vanita schrien, einer der Soldaten ohrfeigte Quinn, worauf beide Frauen entsetzt verstummten.
Arschloch ! , rutschte es Virgin gegen seinen Willen heraus.
Im allgemeinen Tumult bekam es Mr. Allmächtig nicht mit. Ein kurzer Wink von ihm genügte, und der Leichnam des Bauern wurde fortgezerrt. Aus der Ferne schallten weitere Schussgeräusche herüber.
Entsetzt schloss Virgin die Augen. Ihm tat es um den Bauern ebenso leid wie um seine greise Mutter, auch wenn er ihr gestern noch vor Frust am liebsten den Hals umgedreht hätte. Die beiden waren Opfer, Verrat hin oder her. Allein die Armut hatte dem Mann sein Vorgehen diktiert.
Hat einer von euch eine Idee, den Kerlen den Arsch aufzureißen oder sollen wir gemeinsam The Star-Sprangled Banner singen?
Dix knurrte, Nash warf Virge mit verkniffenem Gesicht einen Seitenblick zu. Ratlose Verzweiflung im Angesicht von absoluter Aussichtslosigkeit war kein Grund, sich zu schämen.
*
Quinn biss die Zähne zusammen, während der Soldat sie in Richtung Flugzeug schob. Er hielt seine Maschinenpistole mit beiden Händen gefasst, der Lauf drückte ihr in den Rücken.
„Mitkommen“, brüllte ein anderer Soldat, weitere bildeten ein Spalier vor den Eingängen der beiden Zelte. „Zu zweit rauskommen!“
Quinns Blut rauschte in der Geschwindigkeit der Niagarafälle in ihre Füße. Die Waffe im Kreuz fühlte sich an wie ein glühendes Brandeisen. Sie schaffte es kaum, voranzustolpern, ohne das Gleichgewicht zu verlieren und der Länge nach auf dem Boden
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