Hoehenfieber
an dem Kloß in ihrem Hals zu ersticken. Seit fünf Jahren hatte sie kein Wort über ihre Mutter gehört. Said hatte nicht mehr Kontakt zu Van und ihr gehalten, als dass ihnen auf verschlungenen Wegen einmal im Jahr Geld zugeflossen war. Nur ein einziges Mal zu Beginn dieses Jahres hatte sie ihn persönlich getroffen. An der Uni. Said hatte sich ihr auf dem Campus gezeigt und sie angesprochen, nachdem er sich überzeugt hatte, dass sie ihre Reaktion unter Kontrolle hatte. Wahrscheinlich wäre er wie ein Geist verschwunden, hätte sie auch nur ein Zucken von sich gegeben.
Wie zwei befreundete Kommilitonen waren sie auf eine Tasse Kaffee in die Mensa gegangen. Ein persönliches Gespräch war nicht nur aufgrund der Betriebsamkeit so gut wie unmöglich, Said hatte das Treffen auch auf ein Minimum an Zeit begrenzt, die er ausschließlich dazu nutzte, von ihr zu erfahren, wie es ihr ging. Nach nur wenigen Minuten verabschiedete er sich, ohne dass sie auch nur eine Gelegenheit bekommen hatte, nach ihrer Mutter zu fragen.
Quinn hatte geglaubt, damit umgehen zu können. Der Kloß in ihrem Hals wuchs und Tränen drängten sich tief aus ihrem Inneren. Sie hatte sich geirrt und das Bewusstsein überflutete sie mit jäher Traurigkeit. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, ein Leben in Freiheit führen zu wollen. Egoistisch. Rücksichtslos. Zwar hatte Sheikha Sadia Van und Quinn all die Jahre nichts anderes gelehrt, als dass Freiheit das höchste Gut eines Menschen darstellte, doch hatte sie dabei vergessen zu erwähnen, wie schmerzhaft der Verlust geliebter Menschen sein würde, wenn der Tag kam, an dem sich die Freiheit realisierte. Sie schaffte es nicht länger, die Beherrschung zu wahren und erfasste kaum, dass Vanita plötzlich neben ihr stand und sie in die Arme schloss.
*
„Lässt du uns bitte allein?“
Virge schluckte erschüttert. Vanita hatte beinahe schneller neben ihm gestanden, als Quinn in Tränen ausgebrochen war, als hätte sie den Gemütszustand ihrer Freundin schon vor deren Ausbruch gespürt. So gern er derjenige gewesen wäre, der Quinn in die Arme geschlossen und zu trösten versucht hätte, musste er doch einsehen, dass er im Moment nichts tun konnte und seine Anwesenheit überflüssig und störend war. Er nickte Vanita zu, warf einen letzten Blick auf Quinn, die noch immer den Kopf gesenkt hielt, und zog sich in die Business Class zurück.
„Was Neues?“, fragte er gleich beim Hineintreten.
„Der Kapitän hat weiterhin keinerlei Funkverbindung“, antwortete Dix. „Und ich kann die Störsender nicht durchdringen.“
Virge ließ sich in einen Sitz gleiten. „Wie verhalten sich die Passagiere?“
„Ruhig. Aber wir müssen etwas unternehmen. Es wird zu warm in der Kabine und es sind Babys an Bord.“
„Vielleicht sollten wir die Sprengsätze suchen und entschärfen.“
„Worin du Spezialist bist, ja?“, spottete Nash.
„Ich dachte eher, das ist ein weiteres deiner Fachgebiete, Mr. FBI Special Agent.“
„Wir befinden uns in einer Boeing 777-200 LR. Es gibt aus der Kabine keinen Zugang zum Cargobereich.“
„Bist du auch noch Flugzeugingenieur?“ Virge verhielt sich so bissig, weil ihm einfach keine geniale Idee kommen wollte. Selbst wenn es die Möglichkeit gäbe, die Sprengsätze zu finden – sämtliche Sprengsätze, die sich durchaus auch in der Unterhose eines Passagiers befinden konnten – was würde es für Quinn bringen, sie zu entschärfen? Anschließend könnte man vielleicht auf die Drohung des Erpressers pfeifen und die Maschine in aller Seelenruhe verlassen, doch was passierte dann mit den beiden Frauen? Sie würden geradewegs in die Arme …
„Nein. Aber ich habe mich mit Taylor unterhalten.“
„Was? Worüber?“
„Hallo? Einer wach?“ Nash verdrehte die Augen. „Über die Flugzeugkonstruktion.“
„Sorry.“ Er sollte sich verflixt noch mal am Riemen reißen.
„Wir müssen Kontakt herstellen“, meldete sich Dix zu Wort. „Zur Flugkontrolle oder zu den Hampelmännern dort draußen. Irgendwer muss in Verbindung mit dem Erpresser treten und fordern, dass die Mütter mit ihren Kindern das Flugzeug verlassen dürfen. Außerdem werden die Menschen bald Hunger bekommen und die Getränke an Bord sind fast verbraucht.“
„Wir könnten Zettel schreiben und sie in die Bordfenster kleben“, warf Virgin ein. „Oder bis zur Dämmerung warten und Morsezeichen senden.“
„Beides gute Ideen. Wir fangen mit den Zetteln an“, sagte Nash und erhob
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