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Hoehenfieber

Hoehenfieber

Titel: Hoehenfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Felsing
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oft hatte sie das gezählt? Dreiundzwanzig Stufen hinunter in die Halle. Dort saßen die Eunuchen nachts und spielten Karten.
    Im Schatten, am Fuße der Treppe, drückte sie sich mit dem Rücken an die nächste Wand. Auf der gegenüberliegenden Seite saßen vier Eunuchen an einem Tisch. Wo war der fünfte?
    Sadia schlang die Arme um ihren zitternden Oberkörper. Sie wagte kaum, zu atmen. Wie lange sie bewegungslos verharrte, wusste sie nicht, die Zeit schien stillzustehen. Endlich wagte sie einen Schritt zur Seite. Der Stoff ihres bis zu den Knöcheln reichenden Gewandes raschelte leise. Sofort hielt sie inne. Ihr Herz klopfte laut wie ein Trommelwirbel.
    Vertieft in ihr Spiel sahen die Eunuchen nicht auf.
    Sadia wagte eine weitere Bewegung. Am liebsten wäre sie losgerannt, doch dann wäre ihre Flucht nach wenigen Metern zu Ende. Sie schob sich voran, vorsichtig, mit angehaltenem Atem, und viel zu langsam. Die Entfernung bis zum nächsten Gang, der nach hinten in den Haremsgarten führte, kam ihr vor wie die Strecke hinauf zu den Sternen. Immer wieder tasteten ihre Finger nach hinten, spürten die glatte Wand hinter sich. Sie wusste, dass sich keine Hindernisse in ihrem Rücken befanden. Nur deckenhohe Zeichnungen sich windender, nackter Körper in allen Farben des Regenbogens und mit purem Gold betupft.
    Beinahe hätte sie aufgeschrien, als ihre Hände ins Leere griffen.
    Erschrocken biss sie sich auf die Lippe, bis sie Blut schmeckte. Sie wich Schritt um Schritt nach hinten. Erst, als sich das Licht der Lampe am Spieltisch nur noch als matter Schimmer auf dem Marmor spiegelte, und sie die Eunuchen längst nicht mehr sehen konnte, traute sie sich, sich umzudrehen.
    Durch die fenstergroßen Öffnungen zwischen den Säulen fiel milchiges Licht. Der Mond stand hoch über dem Gebäude an einem wolkenlosen Himmel. Sadia überlegte, welche Büsche ihr Schutz bieten konnten , sobald sie ins Freie trat. Sollte sich der fehlende Eunuch nicht zur Ruhe gelegt haben, sondern draußen seine Runden drehen, würde sie mit ihrer Silhouette sofort seine Aufmerksamkeit wecken.
    Sie atmete tief die von süßem Blütenduft geschwängerte Luft ein.
    Lauschte. Hörte das beruhigende Gurgeln des Wassers in dem nahen Springbrunnen, der um diese Uhrzeit nur das Wasser in seinem flachen Becken zirkulierte, ohne Fontänen in die Luft zu sprühen. Hätte sie Sandalen an, würden ihre Schritte auf den kiesbestreuten Wegen knirschen. Doch ihre nackten Füße verursachten kein Geräusch. Sie biss die Zähne zusammen, als sich die Steinchen in ihre Sohlen bohrten.
    In der unüberwindbar hohen Mauer rund um das Haremsgelände befand sich auf der Südseite ein Lieferanteneingang. Dorthin musste sie es schaffen. Nur stand sie auf der falschen Seite des Komplexes. Der von hohen Hecken gesäumte Weg des Lieferantenzugangs führte zu den Kühlräumen, die sich hinter der großen Küche befanden. Unmöglich, dorthin zu gelangen, ohne die Halle zu durchqueren und geradewegs an den Eunuchen vorbeizumarschieren. Sie musste sich eine Schneise durch das Gestrüpp bahnen.
    Sadia erinnerte sich an den Weg, den die zahlreichen Katzen nahmen, die auf dem Gelände herumstreunten. In gebückter Haltung huschte sie von einem Busch zum nächsten, duckte sich tief hinunter, wartete und lauschte. Jedes Mal zählte sie bis fünfzig, und ihr Herz klopfte zum Zerspringen, wenn sie sich aufrichtete und weiterschlich. Niemals hatte sie das Labyrinth der Wege durch den Haremsgarten in der Nacht durchquert. Es fiel ihr schwer, die Orientierung zu behalten. Sie fühlte sich zudem benebelt, als berauschte sie der schwere Duft der Blüten und raubte ihr die Sinne. Dabei konnte es nichts anderes als ihre Furcht sein. Die Aufregung setzte schauderliche Triebe obendrauf. Die Schatten gerieten zu klauenartigen Fingern, die ihr nachsetzten. Das Zirpen, Fiepen und Zwitschern der nachtaktiven Tiere zehrte an ihren Nerven. Überall glaubte sie, Schritte zu hören, und dann entpuppten sich die Geräusche als ihrer Fantasie entsprungen.
    Ein Schatten zog ihre Aufmerksamkeit an. Sie kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, um besser sehen zu können. Wenige Schritte entfernt machte sie die marmorne Statue einer nackten Männerfigur aus. Eine Nachbildung des Kunstwerks von François Duquesnoy . Das Original, der restaurierte und vollendete Torso des römischen Adonis stand im Louvre. Mehr als ein Mal hatte sie die Kunstwerke in dem Pariser Stadtschloss betrachtet, doch so sehr sie seit

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