Hoehenfieber
Frau die meisten. Dabei legte sie nicht einmal Wert darauf. Viel lieber wäre sie eine der Huren gewesen.
Keine der Frauen hielt sich dort gegen ihren Willen auf. Das, was der landläufigen und der historischen Vorstellung eines Harems entsprach, stimmte nur insofern mit Rashads Harem überein, als dass alle Frauen und unmündigen Kinder in einem abgeschlossenen und bewachten Wohnbereich lebten.
Von den früheren Strukturen angefangen bei Arbeitssklavinnen, Haremsschülerinnen , Dienerinnen über Favoritinnen und Prinzessinnen bis hin zur Sultans-Mutter an der Spitze konnte keine Rede sein. Diese Hierarchie kannte Sadia nur aus Büchern und zauberhaften Filmen über Tausendundeine Nacht, die so unwirklich waren wie jedes Märchen.
In Wahrheit lebte sie in einem Freudenhaus. Die Frauen erhielten eine großzügige Bezahlung , und wenn sie zu alt wurden oder aus eigenem Antrieb den Harem verlassen wollten, dann nahmen andere ihre Plätze ein und sie durften ungehindert gehen.
Alessa drängte sie sanft voran. „Wenn wir hier festwachsen, finden wir Majid niemals.“
Sie hörte das Lächeln in Alessas Stimme förmlich. Himmel, das Mädchen nahm das alles viel zu leicht. Sie glaubte vielleicht, ein aufregendes Abenteuer zu erleben, doch würde niemals damit rechnen, dass es um Leben und Tod ging. Wenn Rashad sie erwischte und ihre Absicht enttarnte, aus dem Palazzo fliehen zu wollen, dann wäre es vorbei mit ihrer Sicherheit. Auch ihre Brüder würden sie dann nicht mehr schützen können. Es gab kein schlimmeres Verbrechen, als das Antlitz des Scheichs zu beschmutzen. Kein Vergehen der Welt maß so tragisch wie die Flucht seiner Hauptfrau. Es würde dem Scheich die Ehre rauben.
„Uns bleiben nicht viele Möglichkeiten“, sagte Alessa nüchtern. „Ich schlage vor, wir schleichen zunächst von Haus zu Haus und Sie versuchen, in den beleuchteten Räumen Majid zu entdecken. Wenn es nicht gelingt, werde ich irgendwo klopfen und sagen, dass ich mich beim Abendspaziergang verlaufen habe. Ich behaupte einfach, Fadi habe mir aufgetragen, nach Majid zu fragen, wenn ich Hilfe brauche.“
Ob das Mädchen tatsächlich lügen konnte, ohne rot zu werden? Jedenfalls bewunderte Sadia sie für ihren Einfallsreichtum. Ihr eigener, eingerosteter Verstand arbeitete viel zu träge.
Nach den ersten drei Häusern blieb Sadia im Schutz einer Hauswand stehen. Tränen der Enttäuschung brannten in ihren Augen.
„Kommen Sie, Sadia. Es sind nur noch ein paar Häuser, in denen Licht brennt.“
Etwas Weiches streifte Sadias Bein, als sie den Fuß nach vorn setzte und ein jämmerliches Kreischen übertönte ihren Aufschrei.
Sofort war Alessa bei ihr. „Nur eine Katze. Sie haben ihr bestimmt aufs Schwänzchen getreten.“
Sadia hielt die Luft an. Das alles wurde ihr zu viel. Vielleicht wäre es besser, in den Harem zurückzukehren und den Morgen abzuwarten. Dann könnte sie Ziad anrufen und …
„Kommen Sie.“ Alessa zog sie einfach mit. An der Ecke des nächsten Hauses blieb sie stehen. „Warten Sie hier.“ Sie zögerte nicht, sondern ging geradewegs auf die Haustür zu , und ehe Sadia auch nur einen Laut des Widerstands hervorbringen konnte, hatte Alessa den Türklopfer betätigt.
Das Pochen hallte in ihren Ohren. Bestimmt weckte es das gesamte Dorf.
Die Tür schwang auf.
„Entschuldigung. Ich bin Alessa, die Verlobte des Prinzen. Ich habe mich beim Abendspaziergang verlaufen. Wo finde ich Majid?“
Entweder war der Mann viel zu verblüfft, um anders zu reagieren oder Alessa hatte ihn mit ihren Veilchenaugen hypnotisiert, kaum dass er sie sah. Sadia fand keine andere Erklärung dafür, dass der Bedienstete wie im Reflex den rechten Arm hob und auf ein Haus schräg gegenüber zeigte. Alessa bedankte sich und marschierte geradewegs auf die bezeichnete Haustür zu.
Sadia verharrte wie gelähmt. Der Mann im ersten Haus starrte Alessa hinterher. Sobald er seinen Schrecken überwand, würde er sofort zum Palazzo laufen und Rashad informieren.
Die zweite Haustür schwang auf. Sadia presste die Hände vor ihren Mund. Alessa hatte Majid gefunden! Das Mädchen sprach mit ihm, doch Sadia verstand kein Wort. Die junge Frau konnte keine drei Sätze zu Sadias Vertrautem gesagt haben, da trat dieser aus dem Haus und ging mit schnellen Schritten zu seinem Nachbarn, der noch immer in der geöffneten Tür stand.
„Schließ die Tür. Du hast nichts gehört oder gesehen, verstanden?“
„Ja, Herr“, sagte der Angesprochene und trat
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