Hoehenfieber
bis auf wenige Meter nahm. Erst als sie dicht an einem Metallberg vorbeiliefen, dämmerte Quinn, was es sein musste. Sie erkannte es am Blitzen von Glas und den Resten einer Scheibe, die wie aus dem Boden gewachsen wirkte. Das Flugzeug hatte sich mit der kompletten Nase ins Erdreich gebohrt.
Deshalb war der Boden in der Kabine abschüssig gewesen.
Sie war langsamer geworden und fast stehen geblieben.
„Liebes, komm. Wir müssen weiter. Schnell.“ Virgin schob sie voran.
Sie liefen um die Schnauze des Flugzeugs herum. Kein Abgrund. Nach einigen Schritten lichtete sich der Staub, doch noch immer blieb die Sicht zu schlecht, um weiter als vielleicht fünfzig Meter zu überschauen. Nicht einmal das Ende des Flugzeugs erkannte sie.
In unmittelbarer Nähe baute sich ein Felsmassiv vor ihnen auf. Quinns Kopf glitt automatisch in den Nacken. Graues Gestein verlor sich im Staub.
Nash kletterte in Höhe ihres Kopfes wie eine Bergziege an den vorstehenden Kanten entlang. An jedem Gebüsch hielt er inne, riss an den Zweigen und beugte sich hinunter, um den Kopf zwischen die Äste zu stecken.
„Was tut er da?“
„Er sucht nach einer Höhle“, sagte Dix, der neben ihr stehen geblieben war und nunmehr mit Virgins Unterstützung den Verletzten festhielt.
„Nichts“, sagte Nash und schnaubte. „Das ist kein größeres Massiv. Wahrscheinlich befinden wir uns am Fuß der Sierra Maestra, einem Gebirge, das westlich von Guantánamo liegt.“
„Woher kennst du dich so gut in der Geografie von Kuba aus?“, wollte Vanita wissen.
„Ich habe vor zehn Jahren bei der Schließung des Gefangenenlagers Camp X-Ray in der Naval Base mitgewirkt“, sagte Nash.
„Psst. Leise“, zischte Virgin. „Hört ihr das?“
„Lastwagen.“ Dix schulterte den Gefangenen. „Seht ihr die Büsche? Sieht nach einer Kaffeeplantage aus. Los!“
Virgin griff nach ihrer Hand, Vanita wurde von Nash gepackt. Sie rannten los. Der Spurt trieb Dreck und Staub in Quinns Nase. Verbissen versuchte sie, nicht den Mund zum Atmen zu öffnen.
„Es ist gleich geschafft“, keuchte Virge. „Schneller!“
Sie gab alles, mobilisierte ihre letzten Kräfte. Es reichte nicht. Kurz vor den ersten St r äuchern stolperte sie. Virgin entglitten ihre Finger. Der Länge nach stürzte sie auf den Bauch und schaffte es nicht, einen Schrei zu unterdrücken, als ihre Beckenknochen auf den Boden prallten.
Sofort beugte sich Virgin über sie. Ohne zu zögern hob er sie hoch, drückte sie an seinen Brustkorb und humpelte mit ihr die letzten Schritte bis zwischen die schützenden Stauden. Er ließ sie ab, stöhnte, und sackte neben ihr zusammen.
„Warum fliehen wir vor den Lastwagen?“ Sie verstand das nicht. Da war Hilfe in unmittelbarer Nähe, und sie schlugen sich in eine Kaffeeplantage.
„Vermutlich Militär.“ Virgin presste mit schmerzverzerrtem Gesicht beide Hände um seine Oberschenkelwunde.
„Okay. Und?“ Das konnte nur mit dem Verletzten zu tun haben. Sie wollten ihn verstecken. Aber der Mann brauchte doch einen Arzt …
„Wir sind in Kuba, Frau! Dass das Militär anrückt, heißt nicht, dass Hilfe naht.“
„Und was wollen wir tun?“
„Erst mal im Verborgenen bleiben, bis feststeht, wer da aufgetaucht ist und was passiert. Vielleicht irre ich mich und es ist tatsächlich eine Rettungsmannschaft.“
„Bist du immer so misstrauisch?“
Anstelle einer Antwort musterte er sie nur und sie entnahm seinem Gesichtsausdruck ein klares Ja. Okay, in Situationen wie dieser fand er sich bestimmt nicht häufiger. Oder? Virgin verwirrte sie immer mehr.
„Es liegt nicht an Van und mir, dass wir uns verbergen, nicht wahr? Es liegt an dem Mann.“ Sie sah sich um, doch die anderen befanden sich nicht in Sichtweite. „Wo sind sie?“ Wenigstens war Vanita in ihrer Nähe. Sie kauerte nur wenige Schritte entfernt und beobachtete durch eine Reihe Kaffeesträucher hindurch etwas, das Quinn nicht erfassen konnte.
„Ganz in der Nähe. Hab keine Angst. Dix und Nash wissen, was sie tun.“
Du auch ? , wollte sie fragen, hielt aber lieber den Mund. Sie wollte nicht schon wieder biestig klingen. Für ihren Geschmack berief sich Virge zu sehr auf seine Kollegen. Ihr wäre es lieber gewesen, er hätte gesagt: „Wir wissen, was wir tun.“ Aber hätte ihr das wirklich mehr Sicherheit gegeben? Sie konnte sie nicht sagen, ob die Lage wirklich aussichtsreicher geworden war. Zumindest lebten sie noch und waren nicht in die Luft geflogen.
Eine berauschende Welle
Weitere Kostenlose Bücher