Hoehenfieber
falschen Wort in Tränen ausbrechen würde. Er konnte nicht ahnen, dass es mehr vor Missmut sein würde als vor Schmerz, denn sie wollte auf keinen Fall das Bild einer verwöhnten, schwächlichen Prinzessin abgeben.
Quinn wusste nicht, wie sie es schaffte. Als sie bei Dix, Nash und dem unheimlichen Kerl ankam, die stehen geblieben waren, sackte sie halb betäubt zu Boden. Ihr Unterleib kribbelte schlimmer als eingeschlafene Füße, wobei sich selbige mittlerweile fast taub anfühlten. Vielleicht hatte der kühle Matsch im Schuh dazu beigetra g en, dass sie es nach einigen Schritten wenigstens geschafft hatte, mitzuhalten und nicht zu weit von den anderen zurückzufallen. Dank Virgin, der ihr kräftig um die Taille gegriffen hatte.
Trotz ihrer Erschöpfung betrachtete sie wie hypnotisiert den Mann, der vor Nash auf dem Boden lag. Die Decke verbarg noch immer seine Beine und seinen Unterkörper. Nichts ließ darauf schließen, dass sich darunter … nichts befand. Die Körperumrisse wirkten normal. Sie sah die Erhebung seiner Knie, und auch die Füße zeichneten sich deutlich unter dem Stoff ab. Allmählich glaubte sie, einem Irrtum unterlegen zu sein. Nicht nur, dass es keine „Unsichtbaren“ oder halb unsichtbaren Menschen oder Körperteile gab, es konnte auch nicht sein, dass der Mann überhaupt noch lebte, wäre er wirklich so schwer verletzt gewesen, dass es ihm die Beine abgerissen hatte. Nur … dann dürften sie sich nicht deutlich unter der Wolldecke abzeichnen. Sie musste sich geirrt haben, und auch das konnte nur vom Schock herrühren.
Nash hatte dem Mann sein zerfetztes Oberhemd wie einen Verband um den Brustkorb geknotet, ähnlich, wie sie es bei Virgin mit ihrer Bluse getan hatte.
„Wir müssen noch weiter“, sagte Dix. „Diese Kerle am Flugzeug erwarten Verstärkung. Wir dürfen nicht riskieren, dass sie uns finden.“
„Ist das kein Rettungsteam?“, fragte Vanita.
„Militär“, antwortete Dix. „Aber sie transportieren die Passagiere nicht ab. Sie bauen Mannschaftszelte auf.“
„Woher weißt du das?“, fragte Quinn und bekam genau mit, wie Dix und Virgin einen undurchschaubaren Blick wechselten.
Ist das jetzt wichtig?
Sie senkte den Kopf. Warum war ihr Misstrauen gegenüber diesen Männern nur so groß? Nicht nur, dass sie spürte, dass Virgin ihr etwas vorenthielt, sie hatte auch in Bezug auf Dix kein gutes Gefühl. Er strahlte ebenso etwas Unnatürliches aus, das sie nicht in Worte fassen konnte. Wenn sie gewusst hätte, wie sich „außerirdisch“ anfühlte, hätte sie es vielleicht so benannt, denn in ihrem Sprachschatz gab es kein passendes Eigenschaftswort. Nash hingegen besaß diese merkwürdige Ausstrahlung nicht, aber sie würde ihn dennoch niemals als harmlos einstufen. Schon seine Stimme versprühte Autorität, seine hochgewachsene Gestalt forderte gnadenlos Aufmerksamkeit und sein meist finsterer Gesichtsausdruck wirkte einschüchternd. Dass sich Van von ihm angezogen fühlte, verstand Quinn nicht. Ihr Typ wäre er nicht.
„Wozu die Zelte?“ Van hatte sich neben Nash gestellt und schielte in ihrer gebückten Haltung zu dem Verletzten hinüber.
„Vermutlich, um Zeit zu gewinnen. Ich wette, die wissen von dem Lösegeld, aber sie kommen nicht an die Öffnungen zum Frachtraum heran.“
„Nicht ohne das richtige Werkzeug. Das wird wohl bald eintreffen und so lange müssen sie die Passagiere festhalten“, ergänzte Dix Nashs Aussage.
„Gibt es Tote? Schwerverletzte?“ Quinn ballte die Hände zu Fäusten, bis sich ihre Fingernägel in die Handinnenfläche bohrten. Wie sollte sie jemals mit der grausamen Last leben, dass ihretwegen Menschen gestorben und schlimm verletzt worden waren? Das würde sie erdrücken, ersticken.
„Das konnten wir nicht sehen.“
„Irgendjemand wird Hilfe rufen“, sagte sie mehr zu sich selbst.
„Vergiss es.“ Nash raubte ihr den schwachen Hoffnungsschimmer.
„Aber hier sind doch keine Störsender“, versuchte sie, ihre Zuversicht aufrechtzuerhalten. Sie tastete nach dem Handy, das sie in ihre Hosentasche geschoben hatte, doch es war nicht mehr da. Vermutlich lag es zerquetscht im Flugzeug.
„Nein, keine Störsender. Es gibt nur ein Mobilfunkunternehmen in Kuba. Es liegt in staatlicher Hand und unterliegt garantiert dem Einfluss des Militärs“, erklärte Nash.
„Wie kommst du darauf, dass sie nicht helfen wollen?“
„Korruption. Und dann überleg mal: Wozu das Zelt? Mittlerweile müssten Rettungshubschrauber
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