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Höhenrausch (German Edition)

Höhenrausch (German Edition)

Titel: Höhenrausch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Johann nie, ob er mich liebt. Warum Fragen stellen, wenn man mit den Antworten höchstwahrscheinlich nicht zufrieden ist?
    «Angst vor der Wahrheit», nennt Andreas das. Ich nenne es: Spekulations- und Hoffnungsspielräume schaffen.
     
    Die Begegnung mit Johann Bergers Frau hatte mir jeden Spekulationsspielraum genommen. Und ich nahm es Frau Berger persönlich übel, dass sie eine Person war, die man nicht gerne betrog.
    Warum musste sie ausgerechnet zu mir so freundlich sein? Ich hatte mir gewünscht, sie wäre eine dürre Pissnelke mit Pelzkrägelchen, kaltem Herzen und leerem Magen. Eine, der man guten Gewissens den Mann wegnehmen kann. Eine, die nicht mein Mitleid auslöst und, viel schlimmer noch, meine Solidarität.
    Was fiel Johann Berger überhaupt ein, so eine Frau zu betrügen? Eigentlich war es eine Unverschämtheit, sie zu hintergehen und mir das Gefühl zu geben, er hätte eine Frau, die es nicht anders verdient.
    Ich rief Silke an. Zutiefst von meinem Schicksal bewegt, konnte ich endlich mit vollem Recht statt «Hallo» oder «Na, wie geht’s?» sagen: «Mr.   President, we do have a situation here!»
     
    «Was für ein Horror! Ich wäre auf der Stelle tot umgefallen!»
    «Das konnte ich ja nicht. Da hätte sie wahrscheinlich Verdacht geschöpft. Ich habe mich zusammengenommen und höflich gesagt, dass ich jetzt wieder an die Arbeit müsse. Dann habe ich Erdal informiert und bin sofort abgehauen.»
    «Und du hast Johann nicht erzählt, dass du zufällig seine Frau getroffen hast?»
    «Natürlich nicht. Andreas und Erdal, beide sagen, dass es für einen Mann nichts Schrecklicheres gibt, als wenn sich Frau und Geliebte begegnen. Würde ich Johann von der Kloszene erzählen, könnte er so erschrecken, dass er unsere Beziehung sofort beendet.»
    «Hallo, ihr habt keine Beziehung!»
    «Ist ja gut.»
    «Hast du dich seiner Frau gegenüber schuldig gefühlt?»
    «Als sie mir ihren Namen sagte, kam ich mir so schäbig vor, dass ich dachte, sie müsse mir mein schlechtes Gewissen sofort ansehen. Es ist eben ein Reflex, dass man als Frau automatisch aufseiten der Betrogenen ist. Solidarität unter Schwestern, das gehört sich so. Aber wenn die Betrogene die Ehefrau deines Geliebten ist, hast du natürlich einen kleinen inneren Konflikt.»
    «Was willst du tun? Dich trennen?»
    «Das bringe ich nicht übers Herz. So weit reicht meine schwesterliche Solidarität nun auch wieder nicht. Ich werde es erst mal mit der bewährten Methode versuchen.»
    «Verstehe: Verdrängung und Ablenkung. Du könntest ja mal wieder shoppen gehen.»
    «Ich bin leider pleite, weil ich mir letzte Woche eine viel zu teure Jeans gekauft habe. Als ich sie anprobierte, sagte die Verkäuferin: ‹Ich bringe Ihnen die Hose lieber mal eine Nummer kleiner.› Ich war so dankbar für diesen Satz, dass ich für die Jeans auch das Doppelte ausgegeben hätte.»
    «Schade, dass noch nie eine Verkäuferin so was zu mir gesagt hat. Ich würde für diese paar Wörter morden.»
    «Es gibt einen Satz, der noch besser ist. Wenn den mal einer zu mir sagt, weiß ich, dass mir das Leben nichts Besseres mehr bieten kann.»
    «Was soll das für ein Satz sein?»
    «Dünner darfst du jetzt aber nicht mehr werden!»
     
    Je länger ich an diesem regengrauen Freitagnachmittag an meinem Küchentisch sitze, desto klarer wird mir, dass ich sofort an drei Dinge herankommen muss: Ablenkung, Selbstwertgefühl und einen Mann, der mir kurzfristig das Gefühl gibt, er sei an einer langfristigen Beziehung interessiert. Mit mir natürlich, nicht mit seiner Frau.
    Zum Äußersten entschlossen, schalte ich den Computer an und melde mich mit meinem Pseudonym «Paprika» beim «Dating Café» an.
    Meine Verzweiflung hat mich reif gemacht für «Nuklearsprengkopf».
    Ich finde seinen Steckbrief nicht. Stattdessen werde ich automatisch zur Seite «Erfolgsstorys» umgeleitet.
    Mich trifft der Schlag: «Nuklearsprengkopf» ist vergeben!
    Neben dem Foto von ihm und seiner neuen Liebsten steht: «Überglücklich verabschieden sich Schmusekätzchen und Nuklearsprengkopf aus dem Dating Café. Bei uns hat es sofort gefunkt, und wir wollen allen Mut machen, unserem Beispiel zu folgen. Es kann klappen, sogar noch im Alter! Tschüs sagen Schmusekätzchen, 37, und Nuklearsprengkopf, 35.»
    Im Alter? Würg!
    Ich starre fassungslos auf das Foto. «Nuklearsprengkopf» sieht astrein aus. Und die scheiß «Schmusekatze», na ja, nicht schlecht. Ich will mich ja nicht selbst loben, aber da

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