Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo
Planungsphase vielleicht doch etwas übernommen, als ich allen Skeptikern zu Hause erklärte, dass ich mit meinen 67 Jahren schon irgendwie zur Horombo Hut hochkäme?
Vorstellbares und Unvorstellbares
Waren die 3700 Meter jetzt, am Sonntagmorgen, noch irgendwie vorstellbar, schlägt meine Fantasie nun allmählich Kapriolen. In vier Tagen, am Donnerstag, wird der endlos lange Weg auf die 4700 Meter hoch gelegene Kibo-Hütte kommen, und schon ein paar Stunden später, mitten in der Nacht, der Aufbruch zur Gipfeletappe - auf über 5800 Meter hinauf. Fast beschwörend murmele ich jetzt, fünf Tage vor diesem Ereignis, die magischen Zahlen 4700 und 5800 vor mich hin. Als könnte ich mit diesem Zauberritual den Berg besänftigen, ihn einschläfernd dazu überreden, mich einfach auf diese Höhe an ihn heranzulassen. Werde ich ihn überreden, mich bei ihm einschmeicheln können?
Ich rette mich in ein tiefes Atemholen: Schließlich ist jetzt erst Sonntagmorgen, man wird sehen. Ich telefoniere noch einmal mit Zuhause, ja - es gibt mich noch. Sonntag. Auch der Weg zum Frühstücksraum der Lodge ist anders als an den Tagen
zuvor. Kinder aus den Hütten der Nachbarschaft waren sonst immer unsere morgendlichen Begleiter an den Büschen und Zäunen der Lodge. »What’s my name - please, give me my chocolate?« sprachen sie uns in nicht ganz einwandfreiem Schulenglisch an, in der Hoffnung, ein bisschen Schokolade könnte doch eigentlich jeder weiße Kili-Tourist immer bei sich haben. Und nun: nichts - keine Kinderstimmen, keine Boxenmusik, nur die etwas angespannten Gesichter der Fernsehkollegen um den Frühstückstisch. Sonntagmorgen.
Ein Stück Toastbrot, die inzwischen vertraute schwabbelige Marmelade, eine Tasse schwarzer Kaffee und der Blick in die Runde: Silke, unsere Technikerin, ist noch nicht da. Sie will auf jeden Fall bei denen dabei sein, die auch den letzten Anstieg auf die 5800 Meter angehen. Und deshalb trainiert sie, schindet sich, ehrgeizig und hochmotiviert. Die WDR-Technik-Crew will sich nämlich erst während des Aufstiegs entscheiden, wer bei der Schlussetappe auf den Gipfel mit dabei ist oder beim Basislager auf 3700 Metern bleibt. Ein harter Ausscheidungswettbewerb also... und Silke will unbedingt bis ganz oben durchhalten.
Nicht nur in den Wochen zuvor in Deutschland, sondern auch hier am Morgen vor unserem Start ist sie deshalb schon unterwegs. Mit ihren schweren Bergschuhen, dem aus Trainingsgründen vollgepackten Rucksack auf dem Rücken, den warmen Joggingklamotten - und mit viel Schweiß! Denn draußen knallt inzwischen die Sonne herunter, es ist heiß an diesem Sonntagmorgen, und ein bisschen ratlos beobachten die Einheimischen, wie sich da eine junge weiße Frau durch Hitze und Straßenstaub
quält. Der Kili als einziges Ziel. Ich selbst bekomme bei diesem Anblick fast ein schlechtes Gewissen: Ich warte gelassen auf meinen Frühstückskaffee und könnte in dieser Zeit doch vielleicht auch noch etwas für meine Kondition tun. Soll ich oder soll ich nicht? Ich entscheide mich für die freundliche Variante. Mich jetzt noch zu quälen, bringt mir doch kaum noch etwas. Also cool bleiben, auch wenn der Eindruck der trainierenden Kollegin nicht mehr aus meinem Kopf verschwindet.
Geredet wird bei unserem Sonntagsfrühstück ziemlich wenig. Jeder ist inzwischen intensiv mit sich selbst beschäftigt. Alles, was über den sich immer wiederholenden Nach-Check geht - sind die Kameras, die Kabel, die Satellitenanlage okay? -, ergibt keinen Sinn mehr.
Sonntagmorgen - so oder so ähnlich muss es einem Fußballteam am Tag vor dem entscheidenden Spiel im Trainingslager ergehen. Alle Fragen der Aufstellung, der Taktik sind x-mal durchgesprochen, alle Muskelpartien gecheckt, alle Psychogespräche geführt. Doch wann geht es endlich los?
Die Götter gnädig stimmen
Einige von uns wollen jetzt einfach weg von hier, etwas anderes sehen und hören als die sich wiederholenden Gespräche darüber, was mit uns passiert, was mit unserem Aufstieg zum Kili, wenn das Wetter nicht mitspielt, wenn einer oder mehrere aus dem Team ausfallen, schlappmachen. All diese Fragen sind gestellt; und bei den meisten Versuchen, eine Antwort darauf zu
finden, überschlagen sich unsere Gedanken mittlerweile. Also brechen wir ins nahe gelegene Dorf Marangu auf, in dessen zahlreichen Kirchen am Vormittag Gottesdienste abgehalten werden.
Schon am Eingang zu einer riesigen, weiß gekalkten Kirche werden wir, die vier weißen
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