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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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Gottesdienstgäste, vom Küster begrüßt. Er verteilt Gebetstexte, und zusammen mit etwa dreihundert Einheimischen erleben wir dann einen anglikanischafrikanischen Gottesdienst. Eine gute Gelegenheit für mich, auch selbst ruhiger zu werden, zwischendurch die Augen zu schließen und eine seltsame Mischung aus Kili-Fantasien und Kirchenliedern zu träumen. Ich bin sicher, der liebe Gott wird mich damit verstehen. Gefühle zulassen. Bis uns plötzlich der Küster mit eindeutigen Handbewegungen signalisiert, dass soeben der Pfarrer in seiner Predigt auf Suaheli die ausländischen Gäste begrüßt hat. Die Kirchengemeinde applaudiert, und wir, die wir für das Kili-Abenteuer über Tausende von Kilometern angereist sind, stehen auf, schütteln Hände und winken den einheimischen Gläubigen zu.
    Wird das Beten die Götter, denen der heilige Berg Kili gehört, gnädig stimmen? Hilft es uns wirklich, für zumindest zwei Stunden unsere Fixierung auf die immer näher rückende Bergtour zu vergessen? »Kilimandscharo - der endlose Berg... warum belauerst du mich, warum umkreist du mich?« Diese Zeilen aus dem Lied der Kili-Träger fallen mir da ein. Eigentlich wollten wir noch den Schlusssegen des Pfarrers abwarten, den wir für die nächsten Tage sicher nötig hätten; doch da die Predigt schon eine Dreiviertelstunde dauert, stehlen wir uns aus der Kirche.

Marangu an einem Sonntag
    Sechzehn Stunden sind es jetzt noch bis zu unserem Aufbruch zur TV-Kili-Tour. Seltsamerweise entsteht der Stress bei uns mittlerweile dadurch, dass Zeit plötzlich im Überfluss vorhanden zu sein scheint. Die Ungeduld nimmt zu, ebenso wie die Hitze, die die Mittagssonne im Dorf Marangu ausstrahlt.
    Wir entschließen uns zu einem Entspannungsspaziergang durch den kleinen Ort, der nur ein paar Kilometer vom morgigen Startpunkt in Richtung Kili, dem Marangu Gate, entfernt ist. Hier gibt es alles zu bestaunen, alles zu erleben, was ein Touristenherz begehrt: freundliche Menschen, Kinder, die uns gegen ein Trinkgeld durch die Straßen und Gässchen führen wollen. Wir schlendern zu einer Bar, zu einem Buchladen, zur Post und zur besten Metzgerei der Welt. Verhandelbar ist hier alles, der Preis für ein paar Schälchen Reis mit Gemüse auf einem wackeligen Holztisch serviert ebenso wie eine Taxifahrt vom bunten, kleinen Sammeltaxi-Bahnhof aus.
    Und überall, untermalt von lauten Rufen oder Lautsprechermusik, das Angebot, frisch geerntete Bananen zu kaufen. Einheimische Frauen präsentieren sie kunstvoll ausbalanciert auf ihren Köpfen. Farben, Lärm, Musik, Hitze und - als Zugabe von uns dankbar angenommen - keine Angst vor irgendwelchen Insektenbissen. Denn Marangu ist eine fast moskitofreie Zone, bedingt durch seine Lage unmittelbar am Rande des Kili-Nationalparks.
    Doch eine Sorge bleibt bei uns: Die Zeit scheint nur minutenweise weiterzukriechen. Wir atmen befreit auf, als jetzt noch ein »seriöser« Tagesordnungspunkt ansteht: ein Mittagessen
im ältesten Hotel des Ortes, dem Kibo-Hotel. Das Hotel ist um die Wende des vorigen Jahrhunderts entstanden und erlebte seine Blütezeit in den 1930- und 1950er-Jahren. Der Kolonialstil, in dem das Gebäude erbaut wurde, ist beinahe anzufassen, beinahe zu riechen. Eine Gedenkplakette erinnert uns daran, dass sich Gouverneur Jimmy Carter vor gut dreißig Jahren hierher verirrt hat. Wir fangen an, von diesem alten Gemäuer und seinem verblichenen Charme zu schwärmen. 45 Dollar müssten wir pro Nacht und Frühstück für die Rückerinnerung an die Zeit bezahlen, als der Blick zum Kili für Fremde noch etwas ganz Besonderes war und keiner von einem Massenansturm auf den Berg träumte.

Die Kili-Ruhmeshalle
    Wir betreten das Hotel zur »Lunch Time«. Außer uns und unseren inzwischen auch hier gelandeten Kamerakollegen finden sich nur noch etwa zwei Handvoll Touri-Gäste, die auf dem riesigen Gelände mit Gärten und bröckelnden Terrassen allerdings fast verschwinden. Niemand von uns denkt in diesem kleinen Idyll freiwillig schon wieder an den morgigen Start zum Kili - gäbe es im Kibo-Hotel nicht einen riesigen Kuppelsaal. Denn dieser Saal ist zugepflastert mit Länderfahnen, mit Wimpeln, Urkunden und handschriftlichen Zeugnissen, die belegen: »Ich war oben«, »I am the winner«. Diese über die Jahrzehnte gewachsene Kili-Ruhmeshalle erinnert uns daran, dass es über die Jahre viele Sieger im Kampf mit dem Berg gab. Von den Verlierern
ist hier nichts zu sehen, auch nicht die nüchterne Statistik, nach der in

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