Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo
Situation am Gilmans Point, dem ersten Punkt in der Kili-Gipfelzone. Hier beenden die meisten Gipfelstürmer ihre Tour. Ob es am Erschöpfungszustand der meisten Bergwanderer liegt, das heiß ersehnte Ziel nach aller Plackerei erreicht zu haben? Fakt ist jedenfalls, dass hier bei vielen Touristen der Sinn für eine ökologische Schonung der Landschaft aussetzt. Denn Wohlstandsmüll aus den westlichen Ländern, Verpackungsreste und leere Filmdosen stapeln sich hier mittlerweile zuhauf.
Da sei man dran, versichert Charles Macha mir. Im Übrigen seien alle Träger und Guides angewiesen, vor dem Weggehen mit ihrer Gruppe alles einzusammeln, was nach Glas, Plastik und anderen Zivilisationsresten aussieht. Und schließlich gäbe es doch seit Jahren Sanierungspläne für einzelne Wegabschnitte. Die ausländischen Gäste könnten also ruhig weiter kommen - ohne schlechtes Gewissen.
Nun ziehe ich meinen letzten Nachfrage-Trumpf aus dem Ärmel: die Skepsis vieler Kili-Besucher, was in Tansania mit den Touristen-Dollars geschieht. Was macht die Nationalparkverwaltung, was die Regierung mit dem Geld, wo doch anscheinend bis heute keine Mittel dafür vorhanden sind, um endlich den Zustand der sanitären Anlagen auf dem Weg zum Gipfel zu verbessern.
Erst am Vortag hatte eine deutsche Wandergruppe uns mit ziemlich drastischen Erzählungen gewarnt, wie es mit der Hygiene auf der Kibo-Hütte in 4700 Meter Höhe aussehe. Wenn wir in ein paar Tagen dorthin kämen, sollten wir uns vorsehen. Der Bereich hinter der Kibo-Hütte habe sich über die Jahre
zu einer übelriechenden Großkloake entwickelt. Ein »Tal des Todes« sei daraus geworden, grausame Zustände gerade für Wanderer, denen auf dieser Höhe ohnehin schon jeder Schritt schwerfällt. Das sei einfach unzumutbar, meinen die deutschen Bergtouristen und berichten freimütig davon, was offensichtlich für viele zum »Ausweg« geworden ist. Man meidet in der Nacht die ekelhafte Toilettenanlage und nutzt das Gelände rund um die Kibo-Hütte als Ersatz.
»Schrecklich, schrecklich!« So pflichtet Charles Macha mir bei - aber für eine Ersatzlösung, da sei heute einfach noch kein Geld da. Und eigentlich ist Tansania eben ein armes Dritte-Welt-Land, in dem viel Geld an anderen Stellen für andere Zwecke gebraucht wird... wenn es nicht häufig in dunklen Kanälen zur eigenen Bereicherung verschwindet. Aber das alles sei eben zeitaufwendig. Der Umstand, dass Gruppen ausländischer Bergwanderer sich durch Träger sogar eine eigene Chemietoilette bis auf den Kili-Gipfel schleppen lassen, gehört dann schon eher in die Kategorie »skurrile Randerscheinung«.
Schwer alkoholisches Sonntagsvergnügen
Ehe wir darüber noch in Streit geraten, fasst mich Charles Macha kräftig am Arm - schließlich sei heute Sonntag, und wir müssten zusammen mit ihm noch eine Spezialität dieser Gegend hier kennenlernen. Ein Trampelpfad führt von der Dorfstraße zu einer etwa zweihundert Meter entfernten Hütte; Charles Macha geht voran, dahinter folgen im Gänsemarsch wir vom deutschen
TV-Team. An der Hütte erwartet uns das, was für viele aus dem Chagga-Stamm erst den richtigen Sonntagsgenuss ausmacht: das Pombe- oder Begebier. Das traditionelle Gebräu aus gestampften Bananen und Hirse wird über Nacht angesetzt und lässt dann offensichtlich jeden Sonntag hier fröhlicher erleben.
Die drei oder vier Bewohner der Hütte schleppen den großen Vorratstopf auf den Platz vor den Hauseingang und schöpfen das Bananen-Hirse-Bier mit einer Holzkelle ab. Dann macht die Kelle die Runde, zuerst ist der Älteste der Gäste dran. Es trifft also mich, dann Charles Macha, den Marketing-Chef in Sachen Kili, der aus dem weit entfernten Dar-es-Salaam angereist ist. Doch auch unsere Teammitglieder müssen ran, am Ende folgen die Chagga-Gastgeber selbst. Das breiige Bier schmeckt sehr süß und auch ziemlich alkoholisch, und ehe ich weiter darüber nachdenken kann, ist die Trinkkelle schon wieder bei mir gelandet. Ein Prost auf die Gastgeber, auf Charles und den Kili... Nach ein paar Minuten Gesellschaftstrinken wittere ich, dass sich das Thema »Kili-Aufstieg« von selbst erledigt, wenn es so weitergeht. Dann wird die Kombination aus Alkohol und Sonnenhitze mir einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen, davon ist mein Magen jetzt schon überzeugt.
Ich packe Charles Machas Hände und schüttle sie zum Abschied - wir müssen los, danke an die gastfreundliche Chagga-Familie, und zurück zur Ashanti Lodge. Es
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