Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo
bleiben jetzt nur noch ein kurzer Abend und eine kurze Nacht bis zum Start in unser Abenteuer mit dem Berg, den TV-Sendungen und meinen Grübeleien, ob ich hochkomme und wenn ja, bis auf welche Höhe. Die Zeit läuft.
Als wir alle abends um 20 Uhr in der Lodge zusammensitzen, lässt sich die Anspannung bei den Reportern, Kameramännern und Technikern fast mit den Händen greifen. Der eine mümmelt lustlos an seinem Essen herum, andere schweigen genervt vor sich hin. Die Abteilung Technik beschließt, sich nicht wie ursprünglich geplant schon jetzt zu entscheiden, wer bei den letzten beiden Etappen auf den Gipfel mitgeht und wer bei der Satellitenstation auf 3700 Meter Höhe bleibt. Nein, sie wollen noch abwarten, wem die Höhe mehr, wem weniger zu schaffen macht. Entscheidung vertagt.
Von unserer deutschen Reisegruppe, deren Weg wir in den folgenden Tagen begleiten wollen, wissen wir noch nichts. Sind sie gelandet, oder hängt ihr Flieger noch in der Luft? Und was ist mit Hubert Schwarz, unserem Führer auf den hohen Berg? Auch von ihm wissen wir nicht, wann genau er hier sein wird, ob er gut drauf ist für dieses Live-Experiment oder gestresst von der vorangegangenen Arbeit in Deutschland.
Die Unruhe wächst
Jeder richtet sich für dieses Warten in den Abendstunden irgendwie ein. Die Reporter besetzen mit mir zusammen die Plätze vor dem Uraltkamin, das hilft bei den Abendtemperaturen ein bisschen in der Übergangszeit bis zum Schlafengehen. »Immer haben die die besten Plätze, sind wohl was Besseres« - so lästern zwei oder drei Kollegen aus dem Team. Es ist schon eine prächtige Stimmung zwischen Nervosität, Unsicherheit und
dem ganz sicheren Gefühl, dass auch ein Beschwörungsspruch jetzt nichts helfen wird. Den Erlösung bringenden Satz: »Wir kriegen das schon hin, es wird schon klappen« bekomme ich nicht über die Lippen, weil ich nicht ganz daran glaube.
Noch einmal checken die Kameraleute die Ausrüstung durch, die unzähligen Metallkästen und Minicontainer. Die Asche im kleinen Kamin von Jasper, dem weißhaarigen Chef der Lodge, ist verglüht. Jetzt ist es wenigstens überall gleichmäßig kalt, an diesem letzten Abend vor unserem Start zum Kili. Gute Nacht, Kili, du heiliger Berg. Werden wir dich sehen, auf deinem Gipfel stehen? Gute Nacht!
Kapitel 11
Aufbruch in eine andere Welt
»Hallo, hallo, mein Freund - wie geht’s? Unsere Gäste sind willkommen am Kilimandscharo! Hakuna matata, kein Problem, Hakuna matata...«
Die Zeilen, die Träger und Bergführer am Ende jeder Kili-Tour auf Kisuaheli singen, als Dank für die Zusammenarbeit, als Dank für den Lohn und die Trinkgelder - diese Zeilen wollen mir nicht mehr aus dem Kopf, am Morgen des ersten Tages unserer Kilimandscharo-Besteigung, als wir um vier Uhr früh von der Ashanti Lodge in Marangu aufbrechen. Hakuna matata - no problem, kein Problem...?
Der schwere Rucksack ist für die nächsten Tage beladen; das unförmige Ding - ist er stattliche ein Meter zehn oder zwanzig hoch - birgt in seinen unergründlichen Tiefen an die vierzehn Kilo Ausrüstung für mich. In diesem Rucksack befindet sich alles, was ich in den nächsten fünf Tagen brauche: vom Energieriegel bis zur Unterwäsche und der Skimütze für den letzten Anstieg am letzten Tag. Wohlgeordnet, wie ich noch am ersten Tag vor dem Aufbruch glaube, sind die Sachen im Rucksack verstaut - doch sollte in diesem schwarzen Packsackloch je eine Ordnung geherrscht haben, wird sie schon bei der Ankunft in der ersten Hütte in sich selbst zusammenbrechen. Daraus entwickelt sich in der kommenden Woche ein kurioses Ratespiel auf engstem Raum - vor allem dann, wenn später mehrere Hüttenbewohner hoffen, auf zwei oder drei Quadratmetern doch wieder Ordnung in das längst eingetretene Chaos ihres Packsacks zu bringen. Nervig!
Vier Uhr morgens ist es, als ich das Stück Geborgenheit aufgebe, das einfache Zimmer in der Ashanti Lodge, und die freundliche Gastgeberin, so etwa in meinem Alter, mich noch einmal eindringlich fragt, ob ich mit meinen grauweißen Haaren wirklich auf den Kili hochwolle, zusammen mit den anderen, Jüngeren aus unserem Team. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, dass sie und der Chef der Lodge, Jasper, mich besonders nachdenklich ansehen, als wir uns für die nächsten fünf Tage verabschieden. Hakuna matata! Kein Problem?
Es hat die ganze Nacht über geregnet, und es ist nach unseren Vorstellungen von Afrika ganz unafrikanisch kalt, als wir bei Alex’ kleiner
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