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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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auch die Mitglieder der Reisegruppe auf ihren Start: Sie sind erst am Vorabend am Kilimandscharo-Airport gelandet und haben nicht allzu viel geschlafen; sie versuchen, sich ein wenig in der ungewohnten afrikanischen Umgebung zurechtzufinden, probieren Handytelefonate in die Heimat aus und müssen, ebenso wie wir vom
TV-Aufnahmeteam, zum »Einschreiben« in das Zentralregister des Kili-Nationalparks.
    Am Schalter sticht mir auf dem so gar nicht stimmungsvollen Bürovordruck gleich die Frage nach dem »Lebensalter« ins Auge. Ich schiele auf die Eintragungen vor mir, auf die Geburtsdaten der glücklichen 35-, 45- und sogar 55-Jährigen; ein bisschen Neid verspüre ich da schon tief in mir drin, und ein wenig muss ich wieder über die Frage aller Fragen nachdenken: Warum mache ich das eigentlich, warum tue ich mir das an? Und dann schreibe ich mit fester Hand meinen Eintrag in das Kili-Register: »67 Jahre«... und verschwinde ziemlich schnell vom Büroschalter.

Viele Menschen, ein Ziel
    Auf dem Sammelplatz am Marangu Gate herrscht ein Gewusel wie auf einem überfüllten Markt: Amerikaner, Japaner, Engländer und Franzosen suchen ihre Träger, Deutsche packen zum x-ten Mal ihr Gepäck vom Rucksack in den Packsack und vom Packsack in den Rucksack um, Proviantpakete für die erste Tagestour werden verteilt.
    Es herrscht ein Geschiebe, ein Rufen und Geschrei, wie es eben entsteht, wenn viele Menschen - inzwischen sind es rund 25 000 pro Jahr - zusammenkommen, die nur ein Ziel kennen: den Kili-Aufstieg. 80 Prozent dieser Menschen versuchen es vom Startpunkt Marangu Gate aus über die Marangu-Route (siehe S. 85ff.), die hier ihren Anfang nimmt. Und unsere Hubert-Schwarz-Reisegruppe
wird schon jetzt ein bisschen zappelig, weil das Verstauen von Kamera- und Sendeausrüstung etwas mehr Zeit kostet als erwartet.
    Allmählich sortieren sich die Träger, die Guides und, nicht zu vergessen, die Köche, die jede Wandergruppe mitnehmen muss. Denn alles - Zucker, Salz, Wasser, jedes Stück Brot, jedes Ei, das in den nächsten Tagen verzehrt werden wird - muss von hier aus nach oben geschleppt werden. Um sicherzustellen, dass kein Träger mehr als die mittlerweile höchstens zugelassenen 20 Kilogramm zu tragen bekommt, gibt es am Sammelplatz eine äußerst dekorative Messstelle samt Wiegemeister. Ob der mit den Gewichten, der Waage und seinen Messangaben immer so sorgfältig umgeht wie jetzt, da das deutsche Fernsehen seine Wiegearbeit filmt - ich habe da so meine Zweifel.
    Um den Vorschriften Folge zu leisten, musste unsere komplette TV-Ausrüstung so weit zerlegt werden, dass jedes Einzelteil die 20-Kilo-Grenze nicht überschreitet; für das 120 Kilogramm schwere Elektroaggregat, das wir zur Stromerzeugung brauchen, musste der Handwerker im Nachbarort eigens einen hölzernen Transportwagen bauen. Dieser Transportwagen musste einerseits groß genug sein, dass sechs einheimische Träger ihn nach oben schleppen können, und andererseits klein genug, dass man ihn in den Bergen auf halsbrecherisch engen Knüppelpfaden über Stock und Stein und um Wegbiegungen herum bugsieren kann. So weit jedenfalls der Konstruktionsplan; beim Nachdenken über die Realität, die auf uns und unser Gepäck in 4000 Meter Höhe wartet, erfasst mich schon jetzt Schüttelfrost.

    Bedeckter Himmel, besorgte Blicke von Hubert Schwarz in unsere Richtung. »Wir müssen los«, meint er, und noch einmal: »Wir müssen jetzt los, sonst kommen wir als Letzte am Tagesziel der Mandara-Hütte auf 2700 Meter an, und dann sind alle vernünftigen Schlafplätze schon vergeben.« Also los!

Erste Schritte in eine andere Welt
    Wir machen die ersten Schritte auf den gut ausgebauten Wegen in den Regenwald hinein, und schon beginnt ein Leben und Atmen in einer anderen Welt. Die Träger mit dem Gepäck sind plötzlich verschwunden, die ersten Kilometer können sie einen breiteren Weg nach oben benutzen. Wir begegnen einigen Rückkehrern, die den Gipfelsturm bereits hinter sich haben; ihr »Good luck«, das sie an uns richten, klingt ein bisschen ironisch - oder bilde ich mir das nur ein? Ich versuche, anhand des Aussehens, anhand der Blicke und der Gangart der einzelnen Kili-Rückkehrer herauszufinden, wie friedlich oder wie mörderisch dieses Unterfangen für sie gewesen sein mag. Und in der Tat sind es nicht nur »Sieger«, denen wir da in den Mittagsstunden begegnen: An- und Abstieg haben insbesondere die Beinmuskulatur und die Füße lädiert, zwei oder drei Bergwanderer

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