Hoehepunkte der Antike
einem goldenen, 600 Liter fassenden Mischkrug Wein
spendete. Ähnlich rekordverdächtig war ein riesiger vergoldeter, jedes Maß sprengender Phallus von 60 Meter Länge, der mit
goldenen Bändern geschmückt im Zug mitgeführt wurde. Die Bühne für dieses grandiose Schauspiel, an dessen Ende ein Festmahl
mit 2000 zu Ehren des Dionysos und zur Verpflegung der Menge geschlachteten Stieren stand, bildete die Hauptstadt des Reiches:
Alexandria.
Alexandria als Zentrum der Wissenschaft
Weitaus dauerhafter als solche vergänglichen Orgien der Pracht waren zwei Institutionen, die Alexandrias Ruhm über alle Zeiten
hindurch garantierten: die Universität und die große Bibliothek. Die Eroberungen Alexanders hatten neben vielen anderen Aspekten
auch eine enorme Erweiterung und Vermehrung allgemeiner Kenntnisse zur Folge. Der Hellenismus eröffnete eine Epoche bis dahin
nicht gekannter Mobilität. Die Griechen lernten neue Länder, neue Menschengruppen, neue Pflanzen, zum Teil auch bisher unbekannte
Forschungsmethoden kennen, die den Wunsch auf kommen ließen, all das Wissen zu sammeln und zu systematisieren. Auf nahezu
sämtlichen Gebieten erlebte die hellenistische Wissenschaft seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. eine Blütephase, und Alexandria
war das Zentrum dieser Wissenschaft. Bedenkt man, welche Bedeutung und Anziehungskraft die philosophischen Schulen Athens
auf die Zeitgenossen aus aller Herren Länder ausübten, wird verständlich, dass die Ptolemäerherrscher für ihre Umgebung ein |92| ähnliches Zentrum planten. Als Ptolemaios I. um 300 v. Chr. daranging, die Universität von Alexandria zu gründen, schuf er
die bis in die Spätantike hinein größte und bedeutendste Forschungsstätte der griechisch-römischen Welt.
Diese Universität von Alexandria stellt jedoch nicht nur ihrer Größe wegen etwas Neues dar, sondern leitete einen wesentlichen
Entwicklungsschritt in der Geschichte der Wissenschaften ein. Zwar orientierten sich die Ptolemäer bei ihrem Projekt durchaus
an der Schule der platonischen Akademie und des aristotelischen Peripatos. Aber anders als in Athen wurden in Alexandria neben
Philosophie, Philologie und verwandten Fächern zu einem erheblichen Teil auch Naturwissenschaften und Forschungen auf dem
Gebiet der Technik gefördert, die in der Einschätzung der griechischen Oberschicht in vorhellenistischer Zeit eine eher untergeordnete
Rolle gespielt hatten. In Alexandria entstand die erste Universität im modernen Sinn, in der alle zur damaligen Zeit bekannten
Disziplinen angesiedelt wurden. Zwischen 300 und 150 v. Chr. lassen sich etwa sechzig Geisteswissenschaftler und ebenso viele
Naturwissenschaftler nachweisen. Den hierhin berufenen Gelehrten standen neben der immensen Auswahl an Literatur auch großzügige
Sach- und Finanzmittel zur Verfügung. Sicherlich ging es nicht nur um die Unterstützung der Wissenschaft um ihrer selbst willen.
Wie zu allen Zeiten schmückten sich auch die Potentaten der Antike gern mit wissenschaftlichen Federn. Neu war in Alexandria
allerdings die finanzielle Sicherung unabhängig von individuellem Mäzenatentum. Hinzu trat die finanzielle Förderung einzelner
Mitglieder durch königliche Stipendien. Solche Unterhaltsleistungen konnten für einen kurzen Zeitraum oder lebenslang verliehen
werden. Eine direkte Einflussnahme der politischen Macht auf die Forschung zu vermuten ist zu modern gedacht. Erst das 20.
Jahrhundert hat die Gängelung der Wissenschaft durch politische Vorgaben und staatliche Forschungsförderung erfunden.
Ähnlich ehrgeizig wie das Fächerspektrum waren die Pläne der Könige für den Auf bau der Bibliothek. Neben der offensichtlich
guten finanziellen Förderung war eben deren Ausstattung die Attraktion für Forscher der damaligen Zeit. Gegründet wurde sie
zusammen mit der Universität, als Demetrius von Phaleron, ein Schüler des Aristoteles, um 300 v. Chr. Athen wegen seiner promakedonischen
Haltung hatte verlassen müssen und nach Alexandria gerufen wurde. Ihr Ausbau |93| wurde von Ptolemaios II., der ein noch größerer Förderer der Künste und Wissenschaften als sein Vater war, vorangetrieben.
An Berühmtheit stand die große Bibliothek, wie die Antike sie nannte, nicht hinter dem Wahrzeichen und Weltwunder, dem Leuchtturm,
zurück. Das ehrgeizige Ziel der Ptolemäer ging über den Auf bau einer wissenschaftlichen Arbeitsbibliothek normalen Zuschnitts
weit hinaus. Der
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