Hoehepunkte der Antike
christliche Schriftsteller Eusebius berichtet im 4. Jahrhundert n. Chr., dass der erste Ptolemäer „den Ehrgeiz
hatte, die von ihm in Alexandria gegründete Bibliothek mit den Schriften aller Menschen auszustatten, soweit sie ernstlich
Beachtung verdienten“ (Eusebius,
Kirchengeschichte
5,8,11). Die Ptolemäer ließen in der Tat nicht etwa nur griechische Bücher aller Art sammeln, sondern bemühten sich auch darum,
die wichtigsten Texte anderer Völker und Kulturen herbeizuschaffen und in Übersetzungen zur Verfügung zu stellen.
Am bekanntesten ist die Geschichte der Übersetzung der Heiligen Schrift der Juden – wir nennen sie das Alte Testament – durch
jüdische Gelehrte, die zu diesem Zweck aus Jerusalem nach Alexandria eingeladen wurden. In diesem Fall kann man noch vermuten,
dass diese so genannte
Septuaginta
ihre Entstehung dem nahe liegenden Interesse an der geistigen Welt der nach den Griechen größten Bevölkerungsgruppe der Stadt
verdankte. Für die Übertragung der dem Zarathustra zugeschriebenen persischen Texte gibt es keinen vergleichbaren Stimulus.
Der Umfang dieses Werkes von zwei Millionen Versen war immerhin beinahe hundertmal so groß wie
Ilias
und
Odyssee
zusammen. Beide Übersetzungen dokumentierten die Begegnung von Griechen und ,Barbaren‘, die im Hellenismus durch solche Projekte
eine neue Qualität erhielt. Beim Auf bau der Bibliothek wurden weder Kosten noch Mühen gescheut. Der verschwenderische Reichtum
Ägyptens setzte der Sammelleidenschaft der Könige und ihrer Gelehrten kaum Grenzen. Was der Buchhandel hergab, wurde bestellt,
und was er nicht bot, versuchte man auf anderen Wegen zu bekommen und abschreiben zu lassen. So berichtet Epiphanius, ein
Bischof am Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr., dass Ptolemaios I. einen Brief an alle Könige und Herrscher der Erde geschrieben
und sie aufgefordert habe, „ihm die Werke jedweder Autoren zu schicken: Dichter und Prosaiker, Rhetoren und Sophisten, Ärzte
und Weissager, Historiker und alle anderen auch“ (Epiphanius,
Über Maße und Gewichte = Patrologia Graeca
43,252). Dem Arzt Galen verdanken wir |94| die Information, dass Ptolemaios III. Befehl gab, alle einlaufenden Schiffe zu durchsuchen, die dabei gefundenen Bücher zu
konfiszieren, um sie anschließend kopieren zu lassen und den Eigentümern schließlich anstelle des Originals eine Kopie auszuhändigen.
Der Umfang der Arbeiten für die große Bibliothek führte zur Standardisierung von Schrift und Buchformat – ein Buch pro Rolle
–, eine Entwicklung, die auch im Interesse des wachsenden Buchhandels lag. Die enormen finanziellen und organisatorischen
Anstrengungen haben dafür gesorgt, dass den Gelehrten der Universität Alexandria in ganz kurzer Zeit eine nach antiken Maßstäben
riesige Bibliothek zur Verfügung stand, die immer weiter ausgebaut wurde. Der Bestand dürfte sich spätestens zur Zeit der
Königin Kleopatra (52–30 v. Chr.) auf mindestens 500 000 Bücher, also Rollen, belaufen haben. In kürzester Zeit haben die Ptolemäer-Könige Alexandria zum unbestrittenen Zentrum
der geistes-, vor allem aber der naturwissenschaftlichen Forschung und Lehre gemacht.
Forschung in allen Disziplinen
Neben den Geisteswissenschaften erreichten unter den besonderen Bedingungen Alexandrias auch die Naturwissenschaften einen
Höhepunkt. Ausgangspunkt der Wissenschaft als systematisierte Erfahrung und zielgerichtete Erforschung der Erscheinungen in
Natur und Gesellschaft war das Bestreben, die Welt aus sich selbst, also rational zu erklären und damit von Einflussnahmen
der Götter abzusehen. Deduktive Darlegung und beweisender Vortrag gehörten ebenso zu den dabei entwickelten Methoden wie die
Theoriebildung und die Suche nach Gesetzmäßigkeiten der festgestellten Erscheinungen. Man bemühte sich darum, Vorgänge zu
begreifen, wie sie etwa im menschlichen Körper, in den Bewegungen der Gestirne, in der Sprache, der Musik oder der Welt der
geometrischen Figuren beobachtet wurden. Daraus resultierten Ansätze zur Ausdifferenzierung der Einzelwissenschaften, deren
Blüte in die Zeit des Hellenismus fiel. Wissenschaftliche Forschungen kosteten schon damals Geld, und sie wurden gefördert
von den großen Mäzenen der Zeit, den Ptolemäern in Ägypten, den Attaliden in Pergamon, aber auch von anderen Herrschern. So
war es vielen Wissenschaftlern möglich, an großen Lehr- und Forschungseinrichtungen in Muße zu
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