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Hoehepunkte der Antike

Titel: Hoehepunkte der Antike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Brodersen
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von keinem Prozess vor dem Hohen Rat, sondern von zwei Verhören vor Hannes, dem Schwiegervater des Hohenpriesters,
     und vor Kaiaphas, dem Hohenpriester selbst. Schließlich ist zu bedenken, dass das Synhedrium nicht das Recht hatte, die Todesstrafe
     zu verhängen und zu vollstrecken, sondern dies allein in den Händen des römischen Präfekten lag, und dass die Anklage der
     Gotteslästerung das hörbare Aussprechen des Gottesnamens durch den Delinquenten voraussetzte. Insofern wurde argumentiert,
     die Darstellung des Markus sei völlig sekundär. Diese Annahme geht jedoch zu weit. Eine Lösung der historischen Probleme könnte
     so aussehen: Markus hat in seiner Darstellung verschiedene, sich über einen Zeitraum hinziehende Ereignisse zu einer Geschehensabfolge
     in einer Nacht verschmolzen. Äußerer Anlass für die Anklage gegen Jesus war die Tempelaktion verbunden mit dem Tempelwort.
     Das Synhedrium konnte nur eine Untersuchung des Falles durchführen und musste den Angeklagten an den Präfekten Pontius Pilatus
     übergeben. Dieser hat Jesus als politischen Aufrührer verurteilt (Tatbestand der
perduellio
). Einen Hinweis in dieser Richtung gibt auch die Überschrift über dem Kreuz: „Jesus von Nazaret, König der Juden“ stellt
     eine römische Formulierung dar. Juden hätten formuliert: „König Israels“. Jesus wurde, auch wenn dies keinen Aspekt seiner
     Botschaft darstellte, als Störer der öffentlichen Ordnung verurteilt und hingerichtet.
    Die Kreuzigung, die an Aufständischen und an Sklaven häufig vollzogen wurde, stellt eine barbarische Todesart dar. Der eigentlichen
     Kreuzigung ging die Geißelung (
flagellatio
) durch Peitschen, in die Metallstücke eingeflochten waren, voraus. Die körperlichen Qualen waren |117| bereits hier erheblich. Der Delinquent starb dann am Kreuz durch Entkräftung und erstickte qualvoll. Um den Tod zu beschleunigen,
     wurden den Gekreuzigten häufig die Arm- und Beinknochen mit Knüppeln zerschlagen, damit der Körper am Kreuz durchsackte und
     der Erstickungstod schneller eintrat. Für einen Juden wie für einen Römer war der Tod am Kreuz die äußerste Möglichkeit der
     Entehrung (vgl. 1. Korinther 1,23). Die Darstellung der Markuspassion ist in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend. Dem Evangelisten
     geht es darum, den Tod Jesu als äußerste Erniedrigung des göttlichen Gesandten darzustellen und zugleich als eigentlichen
     Erkenntnisgrund der Gottessohnschaft Jesu: „Der Hauptmann aber, der dabei stand, ihm gegenüber, und sah, dass er so verschied,
     sprach: Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen“ (Markus 15,39). Von einem „Höhepunkt“ der Antike kann hier sicher
     nur sehr vorsichtig oder wohl nur
sub contrario
(„aus dem Gegenteil“) geredet werden.
    Nach übereinstimmender Aussage der neutestamentlichen Autoren ist Jesu Sterben und Auferstehen das zentrale Heilsereignis.
     Das von Paulus in 1. Korinther 15,3–5 zitierte alte Bekenntnis sagt: Jesus ist „für unsere Sünden gestorben“. Dies lässt sich
     nicht direkt aus der vorösterlichen Jesustradition ableiten. Die Evangelisten haben unterschiedliche Aspekte des Sterbens
     Jesu betont. Nach Markus ist Jesu Tod die Offenbarung des Gottessohnes in der Niedrigkeit des Kreuzes (Markus 15,39). Wer
     ihm nachfolgt, geht mit ihm den Kreuzweg (Markus 10,43–45). Nach Matthäus ist Jesu Tod Ausdruck seines absoluten Gehorsams
     gegenüber Gott. Weil Jesus der gehorsame Sohn ist, deswegen wird er von Gott bestätigt (Matthäus 27,51ff). Nach Lukas ist
     Jesu Tod der Tod des Gerechten. Er hat dabei Analogien und Differenzen zum Tod des Sokrates herangezogen. Auch wenn es für
     die Jünger unverständlich ist, so steht hinter dem Tod Jesu das göttliche „muss“. Sein Tod ist als Schrifterfüllung zu verstehen
     (Lukas 24,26f). Nach Johannes stellt Jesu Kreuzigung zugleich seine „Erhöhung“ dar (Johannes 3,16). Jesu Tod ist Erfüllung
     und zugleich Vollendung der Schrift (Johannes 19,36).
    Alle diese Deutungen sind Interpretationen, die man dem Kreuzestod äußerlich nicht ansieht. Äußerlich handelt es sich um ein
     Scheitern, um das Ende der Bewegung, die Jesus angefacht hat. Er stirbt – einsam – am Kreuz: ein Zeichen dafür, dass er von
     Gott verlassen wurde. Die Jünger Jesu konnten mit dem Kreuzestod zunächst keinen heilvollen |118| Sinn verbinden, denn im Kontext ihres damaligen Milieus und ihrer damaligen Verstehenskategorien gab es keine „Vorlage“, die
     den Tod

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