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Höhepunkte

Höhepunkte

Titel: Höhepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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mit einer süßen Wehmut, das Kinn auf der Schulter ihres Tanzpartners, den Blick auf die Bühne gerichtet und den Lichtkegel auf dem Mikrophon und die zerquälte, seelenvolle Gestalt von Nestor Castillo. Und obwohl sie mit jedem der gutaussehenden Männer, die an dem Abend da waren, etwas hätte machen können, wartete Delores auf Nestor. Als er von der Bühne kam, als die Band Pause machte und das andere Orchester spielte, wirkte er glücklich und wie verzaubert, seine Düsterkeit schien, nach beinahe zwei Jahren des Leidens um die schöne Maria, besiegt durch die Aussicht auf eine neue Liebe. Er widmete sich Delores, als ob es nichts auf der Welt gäbe, das er nicht für sie tun würde. Er holte ihr und ihrer Schwester Drinks von der Bar, wischte ihr mit seinem nach Flieder duftenden Taschentuch eine Schweißperle von der Stirn, und als sie sagte: »Ich tanze ja gern, nur nachher tun mir immer die Füße so weh«, bot er an, ihre warmen, nylonüberzogenen Sohlen zu massieren.
    Als sie fragte: »Warum bist du so nett zu mir?«, gab er zur Antwort: »Weil ich fühle, Delores, daß das hier mein Schicksal ist.«
    Er blieb an ihrer Seite, als ob er sie schon immer gekannt hätte, u nd wenn er anscheinend grundlos den Kopf schwermütig hängen ließ, streichelte sie ihm zärtlich den Nacken und dachte: »Mein armer Papi war genauso«, und weil sie seinen Schmerz zu verstehen schien und er merkte, daß er für sie keine Witze reißen und keine romantischen Märchen erzählen mußte, um sie einzufangen, wie es sein Bruder mit den Frauen machte, hatte er das Gefühl, daß es eine starke Bindung zwischen ihnen gab. Wie ein verirrter Vogel aus einem Bolero fühlte er, wie ihm die zarte Flamme der Liebe die Flügel versengte.
    Als die Musiker wieder auf die Bühne gingen, gesellte sich der stämmige, schnurrbärtige Conférencier für diesen Abend zu ihnen, der einen schwarzen Smoking mit einer breiten, roten Schärpe trug wie ein ausländischer Diplomat. Er stellte sich ans Mikrophon und sagte die Hauptattraktion des Abends an:
    »Und nun, meine Damen und Herren, ist der Moment da, auf den Sie alle gewartet haben: Unser Wettbewerb der besten Tänzer mit Glatze. Unsere Preisrichter heute abend sind keine geringeren als der vielgerühmte Rumbatänzer Paolito Pérez und seine Frau Conchita.« Und beide verbeugten sich von der Bühne herunter. »Dazu der einmalige Mr. Dance persönlich, >Killer< Joe Piro, und schließlich, das Stimmwunder des Mambo-Kings-Orchesters, der immer fabelhafte Cesar Castillo. Bevor wir beginnen, möchte ich Sie noch daran erinnern, daß diese Veranstaltung von der Organisation der Söhne Italiens sowie der Rheingold-Brauerei auf der Nostrand Avenue gemeinsam unterstützt wird. Maestro, Sie können beginnen.«
    Als der Wettbewerb angekündigt worden war, hauptsächlich durch Flugzettel und Plakate und ein paar Spots im Radio, hatte es einen Ansturm auf die Friseure in Downtown-Brooklyn, in der Bronx und in Harlem gegeben. Eine gewaltige Menschenmenge hatte sich eingefunden, darunter mehrere hundert Paare, die sich die Haare ratzekahl abrasiert hatten; violette und grüne Eierköpfe, Glatzköpfe in weißen Smokings und Abendkleidern, Glatzköpfe in riesigen Babywindeln (bei der Dame waren die Windeln züchtig im Nacken überkreuzt und festgesteckt), Herr und Frau Mond, Glatzköpfe als Orangen, Glatzköpfe als Marsmenschen, Glatzköpfe als Wasserstoffbomben, Glatzköpfe, die als Küken gingen, und wer weiß was noch. Es gab Clowns und Harlekins und Paare in wallenden Gewändern mit aufgenähten Bommeln, Paare mit Federn und Glöckchen; die kostümierten Wettbewerbsteilnehmer mußten nicht nur verrückt aussehen, sondern auch ihre Virtuosität und Leichtfüßigkeit beim Tanzen unter Beweis stellen, ihre Könnerschaft in der Kunst des Mambo, Rumba, Tango und Cha-cha-cha.
    Im Kreis der beschwipsten Zuschauer stehend, drückte Delores die Daumen für ein Paar, das das hübscheste Duo von Kahlköpfen abgab. Die Frau sah aus wie die Königin Nofretete und trug glitzernde Halsketten und Armbänder, die allesamt Licht in die Welt hinausstrahlten, und ein rotes Kleid mit Ärmeln wie Schmetterlingsflügel, es war nach oben zu in Spiralen gelegt wie das Dach einer Pagode. Ihr Partner hatte einen Kragen aus Straußenfedern und trug große goldene Ohrringe und überweite purpurfarbene Seidenhosen und sah aus wie der Geist aus der Flasche; aber das Auffälligste an ihnen war, wie verliebt sie wirkten, sie lächelten

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