Höhepunkte
Philadelphia gut und viel gegessen wurde. Pablo aber hatte abgenommen, und dadurch wirkte er noch größer und schlaksiger. Das hatte mir schon immer am meisten an ihm gefallen, ständig wirkte er, als würde er gleich auseinanderfallen, zu viele Knochen für so wenig Fleisch.
Sein Alter stand ihm gut.
Während der Typ mit dem Backenbart die Teilnehmer mit schier unerträglicher Langsamkeit vorstellte, zündete Pablo sich eine Zigarre an und ließ seinen Blick durch den Saal schweifen. Er blickte in alle Richtungen, nur nicht in meine.
Ich ertrug es kaum noch.
Ich schwitzte. Und ich hatte Angst.
Ich wagte nicht, ihm direkt ins Gesicht zu sehen, aber ich spürte, daß er stockte.
Er sah mich fest an, mit halb geschlossenen Augen. Ein merkwürdiger Gesichtsausdruck. Dann lächelte er mich an, und erst danach bewegte er stumm seine Lippen, zwei Silben, so als sage er meinen Namen.
Er hatte mich erkannt.
Ich handelte genau nach Plan. Unendlich langsam knöpfte ich meinen Mantel auf. Darunter kam die entsetzliche braune Schuluniform zum Vorschein. Ich versuchte, sicher zu wirken, aber innerlich fühlte ich mich wie ein alter und schlechter Gaukler, der mit äußerster Mühe den Schein wahrt, während er nur noch darauf wartet, daß die acht Holzflaschen, mit denen er jongliert, ihm gleichzeitig auf den Kopf fallen.
Pablo bedeckte sich mit einer Hand das Gesicht. So saß er ein paar Sekunden lang, dann blickte er mich wieder an. Er lächelte noch immer.
Er sprach wenig an jenem Nachmittag, und er sprach schlecht, ein paarmal verlor er den Faden, stotterte und vermittelte den Eindruck, als könne er nur mit Müh und Not Sätze von mehr als drei Worten bilden. Unverwandt starrte er mich an, meine Nachbarn sahen neugierig zu mir hin.
Als der Alte mit dem Backenbart die Diskussionsrunde eröffnete, erhob ich mich von meinem Sitz.
Erstaunlicherweise trugen mich meine Beine.
Ohne zu stolpern, stolzierte ich gemächlich aus dem Saal. Ich durchquerte das Foyer, sah mich nicht um und ging durch die Glastüren nach draußen. Ich war höchstens acht oder neun
Schritte auf und ab gegangen, da hatte er mich bereits eingeholt. Er legte seinen Arm auf meinen, faßte mich am Ellbogen und drehte mich zu sich herum. Nachdem er mich eingehend von Kopf bis Fuß gemustert hatte, berührte er mich mit seinem Zauberstab.
»Wie schön, Lulú! Du bist gar nicht erwachsen geworden...«
Er nahm mein Geschenk mit vornehmer Zurückhaltung an. Er hatte meine Aufmachung verstanden und enthielt sich jeglichen Kommentars. Er sprach wenig, nur das Notwendigste. Freiwillig lief er in meine Fallen. So ließ er mich wissen, was ich wissen wollte.
Er nahm mich mit zu sich nach Hause, in ein geräumiges Studio, vollgestellt mit Sachen, mitten im Stadtzentrum.
»Was ist mit Moreto passiert?«
»Meine Mutter hat das Haus vor ein paar Jahren verkauft.« Er schien das zu bedauern. »Sie hat sich ein protziges Landhaus in Majadahonda gekauft.«
Dann ließ er schweigend seinen Blick über mich hingleiten, musterte mich von Kopf bis Fuß. Er hob meine Arme hoch und hielt sie so, während er mir den Pullover über den Kopf zog. Er knöpfte mir die Bluse auf, zog sie mir aus, blickte mir ins Gesicht und lächelte. Ich trug keinen Büstenhalter. Er erinnerte sich noch an alles. Er bückte sich, packte mich an den Knöcheln und hob mich brüsk hoch, so daß ich das Gleichgewicht verlor. Er zog meine Beine zu sich heran, bis er sie über seine gelegt hatte. Ich lag quer auf dem Sofa. Er hakte mir die Ösen am Rock auf. Bevor er ihn mir auszog, nahm er meine Hände, führte sie an sein Gesicht und betrachtete sie aufmerksam, besonders meine kurzen und stumpfen Fingernägel. Dieses Detail hatte ich vollkommen übersehen. Auch wenn ich nur zu gut wußte, daß ich es besser nicht tun sollte, brach ich das Schweigen.
»Magst du lange rotlackierte Fingernägel?«
Er ließ meine Finger nicht los und grinste mich ironisch an.
„Ist das so wichtig?«
Ich konnte ihm nicht antworten, ja, es ist wichtig, ziemlich wichtig, deshalb zuckte ich nur gleichgültig mit den Achseln.
»Nein, mag ich nicht«, sagte er schließlich. Zum Glück, dachte ich.
Langsam kleidete er mich aus, streifte mir die Schuhe ab, zog mir die Strümpfe aus und streifte mir die Schuhe wieder über. Er sah mich einen Augenblick an, ohne etwas zu tun. Dann streckte er eine Hand aus und ließ sie mehrmals sanft über mich gleiten, vom Spann bis zum Hals. Erwirkte so ruhig, so gelassen, so
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