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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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so lassen.«
    Mit zwei Wagen waren wir zum Lippertshorn gefahren, Hark in seinem Cherokee, Janette und ich im Golf. Oben warteten schon Winnie und Heinz Rehle. Ich hatte zugesehen, dass ich mich immer in Winnies Rücken aufhielt. Kein großes Kunststück, denn er installierte mit Hark zusammen die Höhlentechnik, und kein Mann konnte, wenn irgendwo ein Bildschirm zuckte, noch seine Umwelt wahrnehmen. Polizeihauptmeister Rehle war nur inoffiziell zugegen, sozusagen als Privatmann in Uniform. Sonst hätte er die PD Reutlingen informieren müssen, und dann hätte womöglich Kommissar Abele wieder sein Unwesen getrieben. Und nachher war’s wieder nix.
    Aber diesmal war da was.
    »Da!«, schrie Janette. »Etwas Rotes, und da, ein weißer Helm!« Eine weiße Rundung schaukelte durchs Bild. »Du hattest Recht, Lisa! Da ist er!«
    »Scheiße!«, fluchte Heinz.
    »Weiter!«, rief Hark ins Telefon. »Wir sehen etwas.«
    Unten ließ Winnie die Kamera am Kabel weiter hinunter in die Spalte des Toten Endes. Die weiße Kugel wur de riesig auf dem winzigen Bildschirm. Als Hark »Stopp!« sagte, pendelte sich das Bild allmählich über einem Kopf ein.
    »Man kann ja kaum was erkennen«, beschwerte sich Janette.
    »Das liegt am Monitor«, antwortete Hark. »Später auf dem Computer sieht man jede Pore.«
    Ich war froh, dass man die jetzt nicht sah. Denn so sah der Tote, obgleich ihm das Auge schon weggetrocknet war, nicht schlimmer aus als der Tod in der Tagesschau oder als ein verschimmeltes und vertrocknetes Stück Speck im Kühlschrank. Er lag rücklings über der klaffenden Spalte in einer steinernen Wiege, die urzeitliche Wassermassen poliert hatten. Der Kopf war ihm nach hinten gesunken und seitwärts gekippt. Was wie Schimmel aussah, war wohl eher ein Schnauzbart.
    »’s könnt der Achim Haugk sei«, grummelte PHM Rehle und strich sich über seinen Schnauzer, »’s könnt scho sei! Aber g’wiss kann ma das et sage.«
    Hark blickte auf. »Achim Haugk?«
    »Kennst du den etwa?«, fragte Janette.
    »Kaum. Ich bin ihm nur ein paarmal begegnet. Winnie kennt ihn besser. Ein Kameradenschwein, zumindest als Höhlentaucher. Bundeswehroffizier, soviel ich weiß. Was um alle Welt könnte der da unten gesucht haben?«
    Ich langte mir unwillkürlich an mein Fundstück am Handgelenk.
    »Und vor allem«, sagte Rehle, »wie kriegen wir ihn da nuff?«
    »Gar nicht«, sagte Hark. »Erst einmal dürfte es nicht viele Kletterer geben, die durch den Spalt passen. Und er muss nicht nur klettern können, sondern sich auch mit Bergungstechnik auskennen.«
    »Alexander«, schlug Janette vor.
    Hark blickte sie an. »Alexander ist gerade mal achtzehn. Willst du dem diese Leiche da zumuten?«
    Vater Rehle nickte heftig. »Die Polizei hat Schpezialischte für so ebbes. Denk ich doch.«
    »Zieh die Kamera ein Stück hoch, Winnie!«, orderte Hark ins Höhlentelefon. »Damit wir ihn ganz sehen.«
    Der Tote schwankte von uns weg. Seine Beine waren wie Holzstücke unter ihn geknickt. Der orangerote Schlaz warf eine tiefe Falte, wo der Brustkorb sich hätte wölben müssen. Vielleicht hatte nur noch ein Luftzug gefehlt, um ihn aus dem Spalt in die Tiefe rutschen zu lassen. Ein Steinchen, das auf ihn fiel. Vielleicht war er abgesackt, als ich mich mit Julian den Schlund hinaufwandte.
    »Da, ein schwarzes Seil«, bemerkte Hark. »Ein Bundeswehrseil.«
    Rehle blickte mich an, mit Unterbiss an seinen Schnurrbartspitzen knabbernd. Der Schwanzvergleich, den ich vorgestern ausgerufen hatte, nur um die Farbe der Seile geklärt zu kriegen, entschlüsselte seine bedrängen de Dramatik. Er wusste nun, dass ich ihm nicht alles gesagt hatte. Hatte Janette ihm eigentlich inzwischen gesteckt, dass sein Winnetou weiblich war?
    »Es reicht, kannst raufkommen, Winnie!«, sagte Hark ins Telefon.
    Winnie jedenfalls wusste es noch nicht. Er war schon halb aus seinem Schlaz heraus, was etwas länger dauerte, weil er gleichzeitig die Zigarette des Überlebenden rauchen musste, als sein blassgraues Auge auf mich fiel. »Der Winnetou!«, rief er. »Na, willst du runter? Ein Hemd wie du passt sicher durch den Spalt. Da kannst du mal zeigen, ob du Eier hast!« Dabei warf er die Zigarette in die gerußte Grillstelle und marschierte wie ein Stier auf mich zu.
    »Lauf, Lisa, lauf!«, rief Janette vergnügt.
    Winnie rammte es in den Boden wie einen Speer. »Lisa?«
    »Hen mir doch scho so ebbes denkt«, blies Rehle unter seinem Schnauzer hervor.
    »Was?« Mit einem Satz war Winnie über

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