Höhlenangst
um ein nagelneues kabelloses Gerät, auf Neudeutsch einen Wireless Computer, der per Funk seine Daten an das Sinus 154 DSL mit T-DSL übertrug. So konnte Janette aus ihrer Besenkammer ebenfalls Artikel an die Redaktion mailen. Mit zwei Kabeln wäre das allerdings auch gegangen. Aber gut. Für die Funknetzwerktechnik fand ich die stattliche Rechnung im Ordner für die Steuererklärungen. Und jede Menge Rechnungen an die IPE für geleistete Arbeit.
Ich musste auch noch meine Steuererklärung machen, dringend!
In Florians Finanzordner steckten auch Tan-Listen fürs Online-Banking und Kontoauszüge der LBBW. Immer dicht über dem Nullpunkt. Manchmal darunter. Bei den Fixkosten der Häuslesbesitzer konnte eine Versandhausrechnung für Kinderschuhe, Kinderjacken, Jeans, Radlertrikots, Herrenanzüge, Abendkleider und Kosmetika schnell zu einer Existenzkrise führen. Auch die Arztkosten waren nicht gering. Laura hatte man, wie ich Florians Ordnern für die Abrechnung mit der privaten Krankenkasse entnahm, eine Hypersensibilisierung gegen Pollen und Tierhaare angedeihen lassen. Etwas früh bei einem ohnehin unreifen Immunsystem. Janette hatte offenbar Rückenprobleme und Migräne. Florian hingegen ging überhaupt nicht zum Arzt.
In den Schreibtischschubladen müllte alles vom Kinderkompass bis zu ausgedienten Pulsuhren, von Klebestreifen bis Reißzwecken, Anstecknadeln eines Rottweiler Narrensprungs, einer Kinderolympiade von Gammertingen, Schleifchen und Nadeln für gewonnene Straßenradrennen. Eine Schublade Fotos gab es auch. Aber kein Foto, auf dem Laura älter als fünf Jahre war. Seitdem bearbeitete Florian das Familienalbum auf dem Computer und speicherte es auf CD-ROMs. In eine Regalkommode waren Klettersachen gestopft, viele Seile, Karabiner, Klemmen, Schlaufen, eine Stirnlampe, ein Petzl-Stop, Kletterschuhe, Handschuhe …
»Und was suchst du hier?«, nölte eine Stimme von hinten. Florian stand in schief sitzenden Boxershorts und Unterhemd in der halb offenen Tür und kratzte sich vertränt den Sack.
Ich schob die Schublade mit den Klettersachen zu. »Ich wollte was im Internet nachschauen.«
Er hörte auf, sich den Sack zu kratzen, und kam her ein. »In meinen Klettersachen?«
»Ich war neugierig.«
»Das scheint mir auch so.«
»Dein Passwort habe ich leider nicht geknackt gekriegt«, sagte ich, seinem Blick auf den Bildschirm folgend.
Er war vorhin, als Janette und ich gegen halb eins ins Haus polterten, mit viereckigen Augen aus seiner Computerklause herabgekommen. Janette hatte sein Fahrrad mit etwas Festem wie der Garderobe verwechselt und sich daran festgehalten. Das hatte einen ziemlichen Lärm gemacht. Dann hatte sie ihm nicht mehr ganz folgerichtig die Ereignisse ab dem Moment geschildert, da wir die Besenkammer verlassen hatten. Nach einem Absacker hatte Janette darauf bestanden, sich von mir zu Bett bringen zu lassen – »Du bist immer so grob, Flori!« –, und mit biegsamer Hüfte ein oder zwei Zärtlichkeiten von mir eingefordert.
»Weißt du, wie spät es ist?«, grummelte Florian jetzt.
»Nein, du?«
Er blickte auf den nackten Arm – »Keine Uhr.« – und lachte plötzlich. Auf einmal schien er wach, setzte sich auf den Drehstuhl und tippte schneller, als ich gucken konnte, sein Passwort in die Maske und klickte den In ternetexplorer an.
»Was suchst’n? Oder ist das geheim?«
»Nee, gar nicht. Ich suche die Ausschreibung der Na tra GmbH für den Truppenübungsplatz.«
»Die ist schon rum. Da hättest du nur mich fragen müssen.«
»Ich wollte dich nicht wecken.«
Er lachte wieder, schleppend, aber weniger unfroh als am Küchentisch bei der Rückkehr zu den Grundlagen des Lebens. Glücklich ist ein Mann doch nur, wenn die Elektronik knistert. »Und was hat das mit Winnies Unfall heute zu tun?«
»Nichts. Wie lange braucht man denn von hier bis nach Meidelstetten mit dem Fahrrad?«, fragte ich.
»Ich brauche genau einundzwanzig Minuten.« Er blickte mich an, aus graublassblauen Augen. Mit der unbewachten Hand dribbelte er auf seinem Sack herum. »Wird das ein Verhör?«
Ich lachte. »Gäbe es denn einen Grund?«
Florian zuckte mit den Achseln. »Ich weiß ja gar nicht, worum es eigentlich geht, was ihr beiden Mädels da ermittelt.« Er schnaubte eine Art Lachen gegen den Bildschirm. »Mir erzählt Janette ja nichts. Ich erfahre alles nur aus der Zeitung.«
»Und wann hast du aufgehört, deiner Frau zuzuhören?«
Er blickte mich wieder an. »Und was ist das jetzt?
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