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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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die Dunkelheit. Noch einmal tippte ich W in die Suchmaschine ein und sah Wagner, Weber und Zecke leuchten. Welcher Weber? Ich kannte keinen Weber, außer Richard Weber, und der stand bei mir unter Richard.
    Die Nummer lautete: 3xr21.4xl60.2xr79. Wie bitte?
    Nach dreißig Sekunden verlosch die Displaybeleuchtung. Auch zwei weitere Lichtphasen verhalfen mir nicht zur Erleuchtung. Leider erleichterte das neue Rätsel nicht gerade den Übergang vom Wachen zum Schlafen. Ich starrte an die Dachschräge über mir.
    Als Kind hatte ich unter so einer Schräge gelegen, und auf der Kommode neben der Tür hatte eine geschnitzte Muttergottes mit prallen Brüsten und einem segnenden Jesuskindlein gestanden. Sie verhalf mir zu ersten Erfahrungen mit den Rätseln der Weiblichkeit, denen ich unter der Bettdecke auf die Spur zu kommen versuchte. Zwischen dem sichtbaren Lustfaktor praller Brüste, welche die Madonna besaß, ich aber nicht, und dem Feuchtgebiet meiner eigenen Lust, über das die Madonna offensichtlich nicht verfügte, bestand eine gewisse Diskrepanz. Und da sollte Weiblichkeit nicht zum Rätsel werden?
    Janettes Brüstchen waren mit denen meiner Madonna nicht zu vergleichen gewesen, aber ihr Hintern war gewissermaßen unvergleichlich. Mein Verstand suchte über die Erinnerung an Schambewaldung und Sinterwasser Eingang in den Schlaf. Ich taumelte schon im Serotonin der Synapsen, da riss es mich erneut hoch.
    Richtig: Richard hatte mein Handy in der Hand gehabt und vor seiner Verhaftung den letzten Moment auf dem Balkon seiner alten Jugendfreundin genutzt, um mir eine Nachricht zu hinterlassen. Leider nur für intelligente Menschen.
     

30
     
    Um Janettes dunkle Augen herum knitterte es kopfweherisch. »Du, Lisa?«, sagte sie beim Müslikauen. »Könntest du heute ausnahmsweise mal für zwei oder drei Stunden auf Laura aufpassen? Du tätest mir einen Riesengefallen damit. Ich müsste halt unbedingt ins Büro. Wenn ich jetzt nicht dranbleibe an der Geschichte …«
    An welcher Geschichte eigentlich?, fragte ich mich. »Aber klar doch«, sagte ich.
    In der Haustür lächelte sie dann noch schnell und strich mir verstohlen über den Hintern.
    Laura schien zunächst Bedenken zu haben, ob ich mit ihr nicht doch Rechnen und Rechtschreibung üben oder ihr mit der Zange die lackierten Fingernägel von den Fingern zippen würde. Ich schlug ihr vor, Gerrit und seinen Raben zu besuchen.
    »Au ja! Da darf ich nämlich nicht alleine hin!«
    Hark war dabei, Gerrits Fahrrad zu reparieren. Um ihn herum Werkzeug und drei Jungs: Gerrit kannte ich, Juli an hatte ich aus der Höhle gehievt, und der dritte, ein Rotschopf, war Volker, Heinz Rehles Sprössling aus zweiter Ehe. Julian hatte man nicht gesagt, dass er sich bei mir zu bedanken gehabt hätte. Womöglich erkannte er mich nicht einmal mehr. Was interessierte auch das Gestern, wenn es heute und morgen gab und ein Fahrrad, bei dem gerade zwei Speichen ausgetauscht wurden. Laura fand das allerdings weniger spannend. »Wo ist denn jetzt der Rabe?«, fragte sie.
    »Da fliegt er.« Gerrit zeigte in den blauen Himmel. Volker und Julian verdrehten nicht mal die Hälse.
    »Und wo sind die Drachen?«, fragte Laura.
    »In der Werkstatt«, antwortete Gerrit. »Willst du sie sehen? Aber das ist voll unheimlich. Papa, darf ich der Laura und Volker die Werkstatt zeigen?«
    »Aber fasst nichts an!«
    Die Kinder liefen fort. Hark spannte die Speiche. »Tut’s noch weh?«, fragte er und deutete auf meine Pflaster an den Handgelenken.
    Ich winkte ab. Zu einer Antwort war ohnehin keine Zeit, denn Huckebein landete auf dem Boden und hüpfte schräg heran. Hark sammelte rasch die Schräubchen ein, die auf dem Boden glitzerten. »Er klaut alles, was nicht niet- und nagelfest ist.«
    »Dass er keine Angst vor uns hat!«, überlegte ich. »Wenn ich ihm jetzt einfach auf den Schwanz treten würde.«
    »Onk!«, warnte Huckebein.
    Hark blickte auf. »Versuch’s. Dann siehst du, dass er schneller ist. Die Reaktionszeit von Tieren ist immer kürzer als unsere. Außerdem spürt er deine böse Absicht.«
    Ich radierte alle bösen Absichten aus meinem Kopf.
    »Er war übrigens von Anfang an zahm.« Hark zog die zweite Speiche fest. »Vermutlich ist er einer Voliere entflogen. Ich denke, auch uns wird er davonfliegen, wenn er nächstes Jahr geschlechtsreif wird.«
    Huckebein zog ihm den Schnürsenkel auf.
    »Ksch!«, scheuchte Hark. Huckebein schnappte zärtlich zurück. Ich musste lachen.
    »Manchmal denke ich«,

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