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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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bisschen, als ich mich abstieß, um die obere Kante des Sichtschutzes zu packen. Den anderen Turnschuh hakte ich mit dem Profil in den Flansch am Fallrohr und stieß mich erneut hoch. Dann das Eisengeländer fassen und den Balkonrand erklimmen. Ich schwang mich übers Geländer und trat in ein kleines Wohn- und Arbeitszimmer: Sofa, Fernseher, ein Tisch mit Schulheften, ein Bücherregal. Durchgangsblick in eine kleine Küche. Ein Flur. Stimmen hinter einer angelehnten Tür.
    »Über den Balkon kannst du nicht!«, sagte eine Frau. »Am besten, du versteckst dich so lange im Klo.«
    Ich stippte gegen die Tür.
    Ein junger Mann stand mit dem Rücken zu mir und knöpfte sich gerade die Cargohosen zu. Ein sehr junger Mann mit springenden Muskeln unter glatter Haut. Mirjam war dabei, sich etwas Gestreiftes über ihren Kopf und die stattliche Büste zu ziehen. Ihr Kopf kam aus dem Halsloch. Sie stieß einen Schrei aus. Einen sehr spitzen Schrei!
    Der junge Mann fuhr herum und schubste mich sofort aus dem Zimmer gegen die Flurwand. »Schickt Mirjams Freund uns jetzt schon Detektive auf den Hals?« Er pack te mich am Kragen meiner Lederjacke und stieß mich ins Wohnzimmer.
    Da war endlich Platz.
    Seinen dritten Stoß wandelte ich in einen Hüftwurf um. Bei durchtrainierten jungen Bikern war das Verletzungsrisiko bei einem artgerechten Judowurf nicht allzu hoch. Außerdem hielt ich ihn am Handgelenk fest, was den Sturz auf den Rücken milderte. Allerdings krachte seine Ferse auf den Couchtisch. Ein Teelichtglas schoss zu Boden. Ich riss ihn, bevor er die Orientierung wiedergewann, auf den Waschbrettbauch und drehte ihm den Arm auf den Rücken.
    »Aix!«
    »Ganz ruhig, oder ich kugle dir die Schulter aus!«
    »Tun Sie ihm nicht weh, bitte!« In der Tür stand die junge Lehrerin mit vor den Mund geschlagenen Händen. »Aber Sie sind doch, der … der Winnetou, der Julian geholt hat! Was wollen Sie denn von uns?«
    »Ich heiße Lisa Nerz.« Ich glaube nicht, dass sie es verstand.
    »Wie kommen Sie überhaupt hier rein?« Ihr Blick wanderte zur offenen Balkontür. »Hat mein Freund … äh … Ex-Freund Sie beauftragt?«
    »Ich bin keine Detektivin. Aber Laura hat spitze Schreie vernommen …«
    Flammende Röte schoss ihr vom Hals in die Wangen.
    »… und Sie klangen über die Gegensprechanlage so … nun, irgendwie bedrängt, nicht? Und es ist so viel passiert in letzter Zeit. Wenn Sie Janette rauflassen, dann wird sie Ihnen alles erklären.« Ich lockerte den Polizeigriff. »Und wer sind Sie, junger Mann?«
    »Das geht dich überhaupt nichts an!«, keuchte er.
    Ich schraubte ihn wieder zu. »Dann lassen Sie doch bitte Janette rauf, Frau Kerner. Bodo Schreckle ist auch unten. Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht. Und vielleicht nicht zu Unrecht, was?«
    »Aix!«
    Mirjam nagte an der Unterlippe.
    »Ich bin wirklich kein Detektiv. Was Sie hier treiben, interessiert mich nicht.«
    »Was dann?«, ächzte der junge Mann.
    Ich ließ ihn los und ging auf Abstand, soweit dies das Gemöbel im Salon zuließ. Mit reichlich Trotz im Pennälergesicht stand er auf.
    Er war dann doch nicht so testosteronstark, mich gleich wieder anzuspringen. Eine schmerzende Schulter war eine gute Bremse.
    »Tut mir Leid«, sagte ich.
    Auf seinem Oberarm prangte die Tätowierung einer hübschen kleinen Spinne. »Lass die Geier rein, Mirjam«, sagte er mit Resten von Stimmbruch in der Stimmbändern. »Irgendwann müssen sie es ja doch erfahren.«
    Mirjam sackte nickend in sich zusammen, drehte sich um und ging zur Tür.
    »Übrigens«, wandte ich mich an den Jungen. »Dein Vereinskamerad Winnie ist tot.«
    »Was? Fuck!« Er rang um Coolness. »Wieso?«
    »Heute noch keine Zeitung gelesen? Der Transporter gestern bei Meidelstetten. Da saß Winnie drin.«
    Der Junge sah nicht aus, als hätte er verstanden.
    »Er ist explodiert. Winnie hatte Landminen geladen.«
    »Landminen?« Der Junge wischte sich endlich die Haare aus den Augen. »Winnie? Der?« Er besann sich. »Und was habe ich damit zu tun? Oder Mirjam?«
    In diesem Moment kam sie wieder, gefolgt von Janette und Bodo Schreckle.
    »Alexander!«, rief Janette. »Was machst du denn …?« Sein nackter Oberkörper beschleunigte ihr Begreifen. Sie lachte.
    Bodo Schreckle blinzelte peinlich berührt.
    »Du bist Alexander Rehle?«, erkundigte ich mich. »Der Sohn von Polizeihauptmeister Rehle?«
    »Na und!«, keifte der Junge. »Ist das verboten?«
     

32
     
    Folglich könnte Alexander am Sonntagabend durch

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