Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
Küchentisch. Den Vergleich mit Richard würde er in der Tat nicht bestehen.
    Janette kam mit Laura in die Küche zurück. Es gab Essen, und ich versuchte, auf den Stein in meinem Ma gen verdaulichere Nahrung zu häufen.
    »Übrigens, Lisa«, sagte Janette, »ich müsste heute Nachmittag doch noch mal in die Redaktion. Und Florian kann nicht weg. Ich habe ihn schon angerufen. Könntest du nicht so lange auf Laura aufpassen?«
    »Ich muss wirklich nach Stuttgart, Janette.«
    In ihrem Gesicht brach mehr als nur ein Zeitplan zusammen. »Mach dir doch nichts vor, Lisa! Die Polizei sperrt einen Staatsanwalt nicht grundlos ein. Die haben Beweise, glaub mir! Wie willst du dem denn helfen?«
    »Ich könnte doch …«, mischte sich Bodo ein, »falls Laura will.« Er schnappte sich Lauras Blick. »Hm, Lau ra? Was wollen wir denn unternehmen heute Nachmittag?«
    »Das kann ich nicht von dir verlangen, Bodo!«, schritt Janette ein. »Dann muss die Redaktion eben ohne mich auskommen. Irgendwie werden wir das schon hinkriegen, gell, Laura?«
    »Aber ich würde mich freuen«, sagte Bodo, »wenn Laura heute mit mir zur Baustelle im Gewerbegebiet gin ge. Vielleicht finden wir Ammoniten.«
    »Au ja!«, sagte Laura. »Darf ich, Mama?«
    »Ich habe doch ohnehin nichts Vernünftiges zu tun, Janette, und ich freue mich, wenn ich es zwei jungen Damen ermöglichen kann, ihren Geschäften nachzugehen. Wozu sind alte Leute denn sonst da?«
    Janette raffte Nudeln mit der Gabel. »Das ist wirklich ganz reizend von dir, Bodo. Das werde ich dir nie vergessen. Du hilfst mir wirklich sehr damit.« Sie blitzte mich an. »Sehr!«
     

33
     
    Blöde Kuh!, dachte ich auf der Schnellstraße hinter Reutlingen. Als sich die Nadel des Stuttgarter Fernsehturms im Dunst abzeichnete, verlinkte sich mein Hirn wieder mit der mir bekannten Homepage. Auch wenn nach einem Besuch meiner Mutter der Albtrauf hinter mir blau wurde, taktete sich mein Ich dieserart wieder in die städtische Betriebsamkeit ein, die meine Identität schuf. Nur Illusion? Aber was war nicht Illusion, außer dem Tod? Und sogar der war nur Fake, wenn tatsächlich Himmel und Hölle warteten. Alles nur Plüsch! Als getaufte Katholikin hatte ich gute Chancen, das eines Tages zu beweisen.
    Nahe meiner Wohnung in der Neckarstraße gegenüber dem Bunker der Staatsanwaltschaft zwischen Drogeriemarkt, Bioladen und Handyhandel hatte man jüngst Anwohnerparkplätze geschaffen. Nur hin und wieder musste man die Autos starrköpfiger Einkaufsparker wegsprengen.
    Oma Scheible fing mich im Parterre ab, wo das Treppenhaus noch aus Stein gefugt war. »Sie hen Poscht vom Finanzamt! Hen Sie noch net die Steuererklärung gmacht?«
    »Ein bisschen Zeit ist ja noch«, sagte ich.
    Ich brauchte ihr weder für meinen Briefkasten noch für meine Wohnung Schlüssel zu geben, sie war bestens ausgerüstet. Vor allem achtete sie darauf, dass mein Briefkasten nicht überquoll. »Sonscht sieht ma glei, dass Sie net da sen. Und des lockt die polnischen Kindereinbrecherbanden an.« Die Post hatte sie mir auf meinen alten Kneipentisch gelegt.
    Meine Wohnung musste sich vor den Kinderbanden nicht furchten. Mein Computer war alt und staubig, der ausgediente Stammtisch mit den dazugehörigen Stühlen zerkratzt und fleckig und die Bücher, die ich unlängst nach sieben Jahren Irrglaube, ich würde hier eh nicht lan ge wohnen, aus den Kisten geräumt und in ein Regal aus Ziegeln und Brettern geordnet hatte, waren zerfleddert und politisch veraltet. Heinrich Böll, Christa Wolf.
    Frauenbriefe der Romantik. Um Radio, CD-Player und Fernseher wäre es nur insofern schade gewesen, als ich mir die Mühe hätte machen müssen, mich im Mediamarkt für das Teuerste oder Billigste zu entscheiden. Solche Entscheidungen trifft niemand gern.
    Ich stopfte die in Trochtelfingen erworbenen Mode-Hipp-Klamotten in die Waschmaschine, die im schönsten Raum der Wohnung stand, im Badezimmer. Als Ende der Neunziger die Badesalze in unseren Kulturkreis zurückkehrten, hatte der Hausbesitzer in allen Stockwerken die Wand zwischen Klo mit Duschkabine und einem fensterlosen Wirtschaftsraum herausschlagen, die Böden kacheln und ein Doppelwaschbecken und eine Wanne installieren lassen. Danach hatte er die Miete erhöht. In dem Tanzbad hatten nun gut eine Waschmaschine, ein Sofa und ein Wäscheschrank Platz. Ich hatte außerdem einen Orientteppich hingelegt, ein Sonderangebot aus Kunststoff aus einem der türkischen Importläden unter mir. Seitdem weckten

Weitere Kostenlose Bücher