Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
als intelligentem und idealistischem Burschen voller Groll auf den Grafen, den zweiten Mann seiner Mutter. »Söhne verstehen das nicht, wenn ihre Mütter sich in einen anderen Mann verlieben. Für sie sind die Mütter Madonnen, da bricht eine Welt zusammen.«
    »Und alle Frauen sind Huren«, resümierte ich.
    Bodo quittierte es mit einem Blinzeln. »Alexander agiert seine Enttäuschungen im Umweltschutz aus. Janet te, du erinnerst dich doch an diese Farbsprüherei auf den Steinen im Springbrunnen in der Hüle von Laichingen? Graffiti, wie man heute sagt.«
    Janette drehte sich am Herd um. »Was war das, was da stand? Irgendwas mit Tod.«
    »Der Tod ist ein Meister aus Deutschland«, antwortete Bodo.
    Ich fuhr auf. »Was?«
    »Das ist ein Zitat aus der Todesfuge von Paul Celan.«
    »Dein goldenes Haar Margarete«, sagte ich.
    Janette zwinkerte mir zu und schob den Auflauf in den Ofen.
    »Dein aschenes Haar Sulamith«, fuhr ich fort. »Ein bisschen heavy nicht? Ich meine, nur weil die Gebrüder Schorstel und Räffle und halb Laichingen den Trüpl wirtschaftlich nutzen wollen.«
    Bodo zuckte mit seinen knochigen Schultern. »Dass die Jugend sich in der Wortwahl vergreift, liegt meist am eklatanten Mangel an literarischer Bildung. Unseren Politikern passiert das ja leider auch ständig, nicht?«
    »Schon«, sagte ich, »aber zufällig habe ich mir gestern Internetseiten über die deutsche Waffenindustrie angeschaut. Und wissen Sie, wie oft ich diesen Satz auf den Seiten der Friedensaktivisten gefunden habe?«
    Bodo blinzelte.
    »Wer auch immer Celan an den Brunnen der Hüle gesprüht hat, er wusste oder vermutete, dass jemand von hier mit Landminen handelte. Und Alexander war vorhin ziemlich platt, als ich ihm sagte, wie Winnie gestorben ist.«
    Janette gab einen skeptischen Ton von sich.
    Ich konnte die Klappe nicht halten. »So kommst du nie als Korrespondentin nach London, Janette, wenn dir in solchen Momenten nicht mehr einfällt als ein missmutiges Grunzen.«
    Sie fuhr herum. »Sag du mir nicht, wie ich meinen Job zu machen habe. Ich habe nämlich noch einen, du aber nicht.«
    »Kinder!«, rief Bodo Schreckle.
    »Vielleicht hat Alexander ursprünglich geglaubt«, sag te ich, »dass Achim Haugk der Minenhändler war. Ein ehemaliger Bundeswehrsoldat, ein Sprengmittelingenieur. Das liegt doch nahe! Dann wäre ein Mord an Haugk keineswegs kaltblütig geschehen, sondern in heißblütigem Zorn auf den Meister des Todes aus Deutschland. Alexander wäre nicht der erste Lebensschützer, der ein Leben auslöscht.«
    »Das ist doch alles reine Spekulation!«
    »Ich muss es ja auch nicht beweisen, Janette«, sagte ich. »Ich brauche nie wieder Beweise für das, was ich behaupte!«
    »Essen ist fertig«, sagte sie. »Laura!!!!«, brüllte sie. »Kannst du mal Teller … Lisa. Wo das Kind nur wieder steckt.«
    Sie rannte aus der Küche.
    »Was ist los mit Ihnen, Lisa?«, fragte Bodo der Schreckliche, während er mir die Teller abnahm und verteilte. »Ich darf Sie doch Lisa nennen? Sie machen sich Sorgen. Darf man erfahren, worüber?«
    Ich schluckte und verfluchte meinen ehemaligen Chefredakteur und Janette. Mir war die Panzerung abhanden gekommen. »Die Polizei hat gestern einen … einen guten Freund von mir verhaftet. Er soll etwas mit Haugks und Winnies Tod zu tun haben.«
    »Oh, ah! Aber Sie gehen von seiner Unschuld aus, nehme ich an.«
    Ich nickte. »Allerdings …«
    »Ja?«
    »Ich weiß nicht, was wirklich los ist. Er ist mit einer Frau …«
    »Also doch Liebeskummer, hm?«
    Ich musste lachen. »Sie kennen die Dame, Bodo. Es ist Hildegard Obermann, Ihre Chefin.«
    Bodo wurde blass unter seiner frühlingsroten Haut.
    »Sie schätzt Sie übrigens sehr! Sie findet nur, dass Sie etwas lakonisch sind.«
    Schreckle fuhr sich übers weiße Haupt. »Sie denkt, dass ich unbedingt Schulleiter hätte werden wollen. Aber das wollte ich nie.«
    »Dann sagen Sie es ihr. Sie sind doch sonst nicht aufs Maul gefallen.«
    Er war unendlich verlegen.
    »Bodo! Sie sind doch nicht etwa in diese Dame …« Ich lachte. »Sie ist eine sehr attraktive Frau, das muss ich zugeben. Und klug.«
    »Und ich bin ein dürrer alter Mann mit einem Haus voller Ammoniten und Fotos seiner früheren Frau.«
    Da saß er in einem unerträglich gemusterten Pullover, einem fürchterlich karierten Hemd, einer grauenvollen Kordhose und unmöglichen Wanderstiefeln, den Pfadfinderrucksack neben den Füßen und den grauen Filzhut mit unechtem Gamsbart auf dem

Weitere Kostenlose Bücher