Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
sie schweigend da. Waldo beschloss, seiner Tochter Zeit zu lassen.
Er blickte Hellami an. »Und du? Du hast durch diesen ... Brief erfahren, dass Leandra noch lebt, und bist nun hierher gekommen? Ist das nicht ein ziemlich großes Wagnis? Bei all den Verboten? Das könnte uns in ziemliche Schwierigkeiten bringen ...«
Trotz seiner Vorwürfe klang seine Stimme versöhnlich. Immer stärker spürte Hellami, dass Waldo in Wahrheit großes Wohlwollen für Leandras Taten hegte. Der Stolz, eine Tochter zu haben, die ihr Leben riskiert hatte, um das Land vor der Unterdrückung zu bewahren, stand ihm trotz seiner autoritären Würde ins Gesicht
geschrieben. Das schloss offenbar auch Hellamis Taten mit ein.
Hellami hob den Blick und schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht allein wegen der Nachricht gekommen, dass Leandra noch lebt.«
Eine bedeutsame Stille legte sich über den Raum.
Hellami rückte auf ihrem Stuhl herum, sodass sie Leandra direkt zugewandt war. Dann sagte sie: »Erinnerst du dich an unseren Schwur?«
Leandras Gesicht wurde ernst. Noch ernster, als es zuvor schon gewesen war. »Unseren Schwur?«
Hellami nickte langsam.
»Du meinst ... wegen Alina?«
Hellami nickte wieder.
Leandra holte tief Luft. »Hör mal ...«, sagte sie dann leise. »Ich muss dir was sagen. Alina ... nun, leider ist auch sie tot. Sie kam in Unifar um.«
Leandra forschte in Hellamis Gesicht, doch sie schien diese schreckliche Nachricht nicht sonderlich zu beeindrucken.
»Hast du ... verstanden, was ich gesagt habe?«, fragte Leandra. »Alina ist tot!«
Hellamis Mundwinkel zuckten, während Waldo gespannt die beiden jungen Frauen beobachtete.
Hellami blickte kurz zu ihm. »Bist du da sicher?«, fragte sie dann zurück.
Verwirrung stand in Leandras Zügen. Sie sah zwischen Hellami und ihrem Vater hin und her.
»Alina?«, fragte Waldo vorsichtig. »Wer ist das?«
Hellami antwortete. »Sie ist noch eine von uns. Von den sechs Mädchen, die damals entführt wurden. Na ja, zu jenem Zeitpunkt waren wir sieben. Alina war leider die Einzige, die nicht mit uns fliehen konnte. Sie wurde zuvor an einen ... dunklen Mönch verkauft. Aber wir schworen damals, Alina wieder zu befreien.«
Waldo verzog das Gesicht. »Und deswegen bist du hier? Wegen dieses Schwurs? Aber Leandra sagt doch, dass dieses Mädchen - Alina - tot ist!«
Hellami schüttelte mit Bestimmtheit den Kopf. »Nein. Alina ist nicht tot.«
Leandras Augen wurden groß und rund.
»Nun mach aber mal langsam!«, stieß sie hervor. »Ich war schließlich dabei, als sie umkam!« Ihre Stimme erhob sich. »Es war der Augenblick, in dem auch Munuel umkam - die gesamten Katakomben stürzten ein! Chast starb - und Alina ... und wir ...«Ihre Stimme verebbte, als sie Hellamis Gesichtsausdruck sah.
Hellami schüttelte entschlossen den Kopf. »Ich habe den Brief leider nicht mehr - er weichte völlig auf, als ich letzte Nacht durch die Morne schwamm. Aber in diesem Brief schwor Azrani, dass sie Alina gesehen hätte. Zweimal sogar - mitten in Savalgor. In Begleitung des dunklen Mönches, der sie damals in Guldors Hurenhaus gekauft hatte. Azrani erinnerte mich an unseren Schwur. Und sie sagte, du müsstest das ebenfalls erfahren.«
»Ebenfalls ...?«, echote Leandra tonlos.
Hellami nickte. »Genau. Azrani schien zu wissen, dass du noch lebst. Und wegen all dem bin ich hier!«
Leandra starrte fassungslos ins Leere. Und Hellami merkte mit einem Mal, dass die Anspielung auf ihren gemeinsamen Schwur mehr für Leandra bedeutete, als nur zu erfahren, dass ihre Freundin Alina offenbar dem Tode entronnen war. Leandra wirkte so, als würde eine ganze Welt für sie zusammenstürzen.
»Was ist?«, fragte Hellami irritiert. »Freust du dich denn gar nicht?«
Leandra senkte den Blick zu Boden und schüttelte den Kopf.
Hellami sah Waldo an und hob fragend die Schultern.
Leandras Kopf fuhr hoch. »Versteht ihr denn nicht?«, rief sie aus. »Dieser dunkle Mönch! Das kann nur Chast sein!«
»Langsam!«, sagte Waldo und hob die Hände. »Wer ist dieser Chast? Seinen Namen hast du zuvor doch schon einmal erwähnt!«
Leandra winkte ab. »Stimmt«, ächzte sie. »Das ... alles wisst ihr ja gar nicht.«
Sie suchte nach Worten. »Chast, das war die zweite Heimsuchung - nach Sardin. Er war seine rechte Hand. Sein Plan war es, dass ich Sardin töten sollte - er machte mir im richtigen Moment die Jambala zugänglich. Ich packte sie und brachte Sardin um. Dann erst wurde mir klar, dass all das nur
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