Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Monolithen. Er lag wie ein träger Klotz in der Landschaft, gewaltig und unzerstörbar, und nichts deutete darauf hin, dass hinter ihm die größte Stadt des Landes Akrania lag. Nur den Savalgorer Pfeiler sah man dahinter aufsteigen, und etwas weiter nördlich, hoch droben im Felsenhimmel, der an dieser Stelle gute zehn Meilen über der Stadt lag, öffnete sich das Nördliche Savalgorer Sonnenfenster, etwa fünf Meilen im Durchmesser. Im Süden der Stadt, schon über dem Meer, lag das Südliche Savalgorer Fenster; es war noch sehr viel größer.
»Warum ...«, fragte Hellami unschlüssig, »sind diese Sonnenfenster eigentlich ... durchsichtig? Ich meine - sie sehen doch aus, als wären sie aus Fels. So wie der Himmel auch.«
Leandra sah Hellami ein wenig erstaunt an. Solche Fragen interessierten sie selbst zwar schon, seit sie denken konnte, sie hatte jedoch die Erfahrung gemacht, dass sie damit ziemlich allein stand. Man dachte nicht über Dinge nach, die ein fester, unabänderlicher Bestandteil der Welt waren. Selbst Leandras Vater, ein kluger und interessierter Mann, hatte ihre diesbezüglichen Fragen immer nur mit einem Achselzucken abgetan. Das weiß keiner, Kind, hatte sie stets zu hören bekommen, und keiner wird es je erfahren!
Sie blickte zum Himmel auf, wo die blendende Helligkeit des Sonnenfensters wie eine Aura in den Fels des Himmels eingebettet war. »Munuel hat einmal so einen Brocken gefunden«, antwortete sie. »Er sagt, es habe ausgesehen wie Kristall. Wahnsinnig hart, sodass man es mit einem Hammer kaum zertrümmern konnte.«
»Und warum ist dieses Zeug nur dort oben - am Himmel?«
Wieder starrte Leandra ihre Freundin überrascht an. Das war eine Frage, die sie sich selbst noch gar nicht gestellt hatte. Erstaunt blickte sie wieder hinauf. »Du hast Recht - dieses Kristall gibt es sonst nirgends!«
»Wusstest du das nicht?«
Leandra schüttelte, während sie erstaunt weiterhin in die Höhe blickte, kaum merklich den Kopf. »Irgendwie schon ... aber ich habe mir das nie klar gemacht. Das ist ja wirklich ... seltsam.«
»Wie könnte es entstanden sein - nur da oben?«, fragte Hellami weiter.
»Das weiß keiner«, sagte Leandra und merkte, dass sie das Echo der Stimme ihres Vaters war. Den Satz musste sie anders beenden. »Aber ich wollte es schon immer herausfinden. Deswegen bin ich eigentlich Novizin bei Munuel geworden, weißt du? Gar nicht so sehr, weil ich Magierin werden sollte, sondern weil der Cambrische Orden schon immer die Wissenschaft ...«
Hellami war langsam weitergegangen, ließ sie stehen. Das gab Leandra einen kleinen Stich. Offenbar interessierte sich Hellami für die Geheimnisse der Welt, jedoch nicht mehr für sie. Sie schnaufte leise und folgte ihr. Die Kluft zwischen ihnen schien immer tiefer werden zu wollen.
Sie marschierten weiter durch die frühsommerlichen Wälder um Savalgor herum. In dieser Gegend war die Jahreszeit schon weit fortgeschritten, da das Wetter hier in Küstennähe meist milder war. Es war wärmer als im Hochland um Angadoor und man konnte die bevorstehende Sommerhitze schon förmlich in der Luft schmecken.
Hellami starrte die ganze Zeit über zum Monolithen hinauf. Leandra wollte mit ihr reden, suchte nach einem Grund. Dass Hellami so beharrlich ihre Anwesenheit überging, tat weh.
»Was ist?«, fragte Leandra leise. »Du guckst die ganze Zeit schon da hinauf.«
Hellami schüttelte den Kopf. »Ach nichts«, sagte sie. »Ich staune nur. Savalgor ist schön und hässlich zugleich. Die schöne Seite kannte ich bisher eigentlich gar nicht.«
Leandra folgte Hellamis Blicken. Groß und rötlich grau ragte der gewaltige Monolith vor ihnen auf. Fanden sie den Zugang nicht, würde der Monolith mit Sicherheit nicht mehr als ein unüberwindliches Hindernis für sie sein.
Dann würden sie vielleicht gar nicht in die Stadt hineinkommen.
Als das Licht der Sonnenfenster schon merklich abnahm, fanden sie einen kleinen Schotterweg, der durch ein Wäldchen in Richtung eines Hofes führte, wie ein Schild ankündigte. Sie folgten dem Weg und erreichten bald ein Gehöft. Ein großer Hund entdeckte sie, bevor sie sich noch zwischen die Bäume zurückziehen konnten, aber sie hatten Glück: anstatt zu bellen, kam er nur schwanzwedelnd auf sie zu.
»Du bist mir ein schöner Wachhund!«, sagte Leandra leise und kraulte den Hund am Kopf, der sich ihr wohlig grummelnd hingab.
»Wir werden ihn ein Stück mitnehmen müssen«, sagte Hellami nachdenklich und stemmte die
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