Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
irgendwie gelingt, die Spur des Pakts zu finden, und er dabei nicht Chast in die Hände fällt, dann haben wir etwas Wichtiges erreicht. Es wird uns und Leandra helfen.«
Sie erschraken beide, als sich die Tür plötzlich öffnete - und ein Mann des Ordens von Yoor unvermittelt in den Raum trat. Victor schoss in die Höhe.
»Was soll das?«, herrschte er den Kerl an. »Kannst du nicht anklopfen?«
Der Mann musterte ihn mit kalten Blicken. Er war hager, groß und sah dem verblichenen Usbalor ein wenig ähnlich. Victor versuchte sich darüber klar zu werden, ob der Kerl von seinen letzten Worten womöglich etwas mitbekommen hatte.
»Der Hohe Meister wartet auf deinen täglichen Bericht«, sagte der Ordens-Mann. »Warum wurde er noch nicht abgegeben?«
Victor spannte sich innerlich. Offenbar war der Bursche auf einen direkten Befehl hin hierher gekommen; das sprach dafür, dass er eingetreten war, ohne zuvor zu lauschen. Außerdem war die Tür des Raumes von der dickeren Sorte - wie alle Türen hier in der Basilika. Spontan beschloss er, zum Gegenangriff überzugehen. Er trat mit ein paar raschen Schritten auf den Kerl zu und baute sich vor ihm auf. An Körpergröße und Masse war er ihm überlegen.
»Chast kriegt seinen Bericht - wenn wir den Inhalt fertig besprochen haben!«, fuhr er ihn an. »Und wenn du hier noch einmal reinstürmst, ohne dich vorher bemerkbar zu machen, dann kriegt er dich gleich dazu. Sauber verschnürt als Paket, verstehst du?«
Der Bursche wich keine Handbreit zurück. »Mäßige dich!«, gab er giftig zurück. »Du hast mir keinerlei Anweisungen zu erteilen, wie ich mich zu verhalten habe!«
»Da täuschst du dich aber, mein Lieber!«, fuhr ihn Victor mit immer lauter werdender Stimme an und trat einen weiteren Schritt auf ihn zu. Nun musste der Ordensmann zurückweichen. »Ich bin hier in der Basilika derjenige, der den Ton angibt, verstehst du? Wenn du meine Leute beobachten willst, dann tu das! Aber ich unterstehe allein dem Hohen Meister und nicht eurem verfluchten Orden von Yoor. Wenn du willst, können wir das sofort klären - bei Chast persönlich!«
Ein Hauch von Unsicherheit spiegelte sich auf dem Gesicht des Mannes. Victor war richtig in Fahrt gekommen.
»Und jetzt verschwinde, bevor ich wirklich wütend werde!«, zischte er.
Mit Zorn im Gesicht fügte sich der Ordensmann. Es war allzu offensichtlich, dass er sich an die Unantastbarkeit gewöhnt hatte, welche die Ordensleute überall genossen. Dass ihm jemand auf diese Weise gegenübertreten könnte, hatte er vermutlich nicht für möglich gehalten.
»Wir sehen uns noch«, knirschte er und seine Nasenflügel zuckten vor kaum beherrschter Wut. Dann wandte er sich um und verließ den Raum.
»Das würde ich mir an deiner Stelle nicht wünschen!«, rief Victor ihm nach und warf mit Schwung die Tür hinter ihm zu. Krachend fiel sie in Schloss.
Roya sprang auf und eilte zu Victor. »He!«, rief sie leise aus. »Weißt du nicht, wer das war?«
Victor, der für diesen Auftritt eine gewisse Energieleistung hatte aufbringen müssen, versuchte seinen Puls und seinen Atem zu beruhigen. »Ist mir egal! So was lasse ich mir nicht gefallen!«
Roya lächelte ihn an. In ihren Augen stand ein Ausdruck von überraschter Bewunderung. »Das war Pia-mos - der zweithöchste Mann in der Duuma überhaupt! Und jetzt die rechte Hand von Rasnor, dem Erzquästor des Ordens von Yoor! Wenn das mal gut geht!«
Victor grinste bissig zurück. »Ich hab schon ein wenig Erfahrung mit so was«, sagte er leichthin. »Je weiter du hier in der Bruderschaft das Maul' aufreißt, desto mehr achten dich die Leute.«
Roya schüttelte schwach lächelnd den Kopf. »Soso. Hast du dich etwa auf diese Weise in die Bruderschaft eingeschlichen?«
Victor ließ seine angestaute Wut los und stieß die Luft aus. Er setzte sich auf den Rand seiner Pritsche. »Nein. Durch diesen jungen Mönch, der in Minoor hängen geblieben war«, erklärte er.
Er beobachtete Roya und stellte fest, dass sie ihn durch ihr Lächeln und ihre sanfte Art gleich wieder beruhigt hatte. Menschen mit solchen Fähigkeiten waren selten - und er mochte sie.
»Ich habe einfach mit ihm die Rolle getauscht«, erklärte er.
Roya verzog erstaunt die Mundwinkel. »Tatsächlich? Das hat er mit sich machen lassen?«
»Er war sogar glücklich«, sagte Victor. »Er hatte gewaltige Angst, zu spät in Savalgor anzukommen - und er hatte auch keine sonderliche Lust, dort zu arbeiten. Dazu kam noch, dass er
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