Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
ist?
Nein, kam es zurück. Aber ich denke, einen Tag Vorsprung sollten wir haben. Es darf nicht weniger werden.
Victor seufzte resigniert. Ein Tag war nicht viel, zumal sie nicht wussten, wo in Hammagor der Pakt versteckt war. Victor war wirklich sicher, dass er sich in Hammagor befinden musste - alles deutete darauf hin. Inzwischen aber hoffte er, dass das Schicksal in dieser Hinsicht keine Überraschung für sie bereit hielt. Roya blickte zu ihm auf, und er sah, dass auch sie Tiraos Worte mitbekommen hatte. Sie klammerten sich noch fester aneinander - wie zwei Kinder, die gegenseitig Schutz suchten.
Bald darauf sahen sie, weit im Nordwesten, einen Riss in der Wolkendecke. Das Tageslicht war inzwischen stetig im Abnehmen begriffen und Victor hatte sich schon gefragt, wie die Drachen durch die Wolkendecke hätten fliegen wollen, ohne Gefahr zu laufen, gegen eine Felsspitze oder eine Bergflanke zu stoßen.
Dort drüben, sagte Victor. Können wir dort landen?
Ja, erwiderte Tirao. Ich bin müde. Es wird das Beste sein. Wir hätten sonst einen Gipfel anfliegen müssen.
Victor nickte verstehend.
Tirao und Faiona änderten den Kurs ein wenig. Als es schon ziemlich düster geworden war, erreichten sie den Riss in der Wolkendecke und schwebten durch ihn hinab.
Das Land darunter war, entgegen ihrer Hoffnungen, alles andere als einladend. Es handelte sich um eine Hochebene, die mit Geröll und Felsstücken von zyklopischen Ausmaßen übersät war. Keinen einzigen grünen Flecken gab es hier. Irgendwo lag ein stiller See; hier musste es vor nicht langer Zeit noch ausgiebig geregnet haben. Alles war nass und kalt. Faiona machte einen einigermaßen ebenen Flecken aus und die Drachen setzten zur Landung an.
An diesem Abend gab es nichts zu essen und auch kein Feuer, es schien, als habe sich alles gegen sie verschworen. Zum ersten Mal sah Victor, dass sich die beiden Drachen eng aneinander drängten - unterhalb eines Felsens, wo sie sich zum Schlafen einrollten. Er suchte sich zusammen mit Roya ebenfalls eine geschützte Stelle, wo sie es den Drachen gleichtaten. Angesichts dieser bedrückenden Umgebung und des kalten, nassen Wetters verspürte er heute nichts von seiner heimlichen kleinen Zuneigung zu Roya. Er war nur über die Maßen froh, ein warmes, lebendes Wesen bei sich zu haben, an dem er sich für die Nacht festklammern konnte.
Dann war das letzte bisschen Sonnenlicht verschwunden und die Nacht des Ramakorums brach an. Mit düsteren Gedanken im Kopf schlief Victor ein.
Der nächste Tag begann ein wenig besser.
Die geschlossene Wolkendecke war zum Teil aufgerissen, und nun zogen riesige, grauweiß aufgetürmte Wolkenberge über sie hinweg, durch die einzelne Sonnenstrahlen hindurchdrangen. Das machte das Land nicht unbedingt freundlicher, aber der Blick nach oben und die Wärme des Lichtes taten der Seele gut.
Victor konnte gar nicht früh genug wieder hinauf in den Himmel kommen, denn der Flug über den Wolken versprach mehr Licht, und das war der klammen Kälte hier unten bei weitem vorzuziehen, obwohl es droben wahrscheinlich noch kühler werden würde. Sie hatten nur noch wenig zum Essen bei sich und waren schon vorgestern dazu übergegangen, ihre Vorräte streng einzuteilen. Die Drachen begaben sich früh auf Futtersuche, aber sie kehrten bald ohne Ergebnis zurück. Hier gab es nichts, was sie hätten verwerten können. Victor wusste, dass Drachen wegen ihres großen Energiebedarfs auf sehr nahrhafte Kost angewiesen waren - meistens fraßen sie Goolanüsse, von denen es hier in diesem Gebirge jedoch herzlich wenig geben dürfte.
So tranken sie viel - Wasser aus dem nahen See -, und Faiona erwischte einen großen Fisch, über den sich beide Drachen hermachten. Dass Felsdrachen auch Fleisch fraßen, hatte Victor nicht gewusst. Aber das Biest schien ihnen nicht sonderlich zu schmecken, sie ließen das meiste davon übrig.
Im Laufe des Tages werden wir die Küste erreichen, sagte Faiona, nachdem Roya gefragt hatte, woher sie die Kraft für den langen Flug nehmen wollten. Dann müssen wir eine Pause einlegen. Sicher finden wir dort Nahrung.
Werden wir heute noch ankommen?, wollte Victor wissen.
Wenn der Wind günstig steht-ja. Es sieht im Augenblick ganz danach aus. Doch es wird spät werden. Wir müssen diesen Ort, den ihr Hammagor nennt, erst finden.
Es war noch früh am Morgen und Victor drängte darauf, bald loszufliegen. Bald waren sie wieder in der Luft und erfreulich schnell erreichten sie das Meer.
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