Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
aus der Elementarmagie, um die Blutung zu stoppen. Meister Fujima ächzte. Sie untersuchte das Trivocum mit aller Sorgfalt, ertastete den Bereich, in dem sich die Verletzung ihres Gefährten abzeichnete, und studierte die Strukturen.
Meister Fujimas Hals erstrahlte in leuchtendem krankhaftem Dunkelrot, ganz wie das Innere einer offenliegenden Wunde - und darin stak, in grausig sich abzeichnendem Schwarz, der furchtbare Splitter. Er war zwei Handbreit lang und ein bis zwei Fingerbreit dick. Ganz in der Nähe pulste machtvoll die Halsschlagader, aber sie war - den Kräften sei Dank - noch unverletzt. Leandra atmete auf, als sie sah, dass der Splitter keine Widerhaken besaß. Keine Magie der Welt hätte Fujima retten können, wenn das Entfernen des Splitters seine Halsschlagader aufgerissen hätte.
Und noch einmal musste sie eine Magie wirken. Der Schädel dröhnte ihr langsam von all der Energie, die sie auf der geistigen Ebene aufbringen musste. Sie setzte das Aurikel einer Wassermagie der dritten Stufe und versteifte damit das Fleisch seiner Wunde. Nun kam der eklige Teil ihrer Arbeit. Sie musste den Splitter herausziehen. Sie hätte sich gewünscht, dass Meister Fujima in der Lage gewesen wäre, ihr seinerseits irgendwie zu helfen, aber er kämpfte um sein Bewusstsein; seine geistige Verfassung hätte das Wirken einer Magie zu einer für ihn gefährlichen Sache gemacht.
Schließlich war sie soweit. Sie kniete vor ihm, hielt die Ränder seiner Wunde zusammen und zog langsam an dem Splitter.
Das verdammte Ding wollte nicht. Es mochte sein, dass ihre Magie mithalf, es dort zu festzuhalten. Sie nahm sich zusammen, umfasste den Splitter vorsichtig, aber fest, und zog mit einem beherzten Ruck.
Meister Fujima stöhnte auf, aber sie bekam den Splitter heraus. Sofort strömte ein Blutschwall nach. Sie verstärkte den Energiefluss und zog die Wunde zusammen. Nach Sekunden hatte sie die Blutung im Griff. Sie ließ sich ächzend zurücksinken. Blut zu sehen war nicht ihre Stärke.
Meister Fujima kämpfte gegen die Ohnmacht, er stöhnte und versuchte, sich an den Hals zu greifen. Wieder schlug sie ihm die Hand weg. Sie suchte in seinen Taschen und fand darin ein einfaches, noch sauberes Tuch. Während sie noch immer seine Wunde zusammenhielt, gab sie es ihm in die Hand. Es war zwar eine Gefahr, eine so große Wunde mit einem Tuch abzupressen, von dem sie nicht wusste, wie sauber es war, aber im Augenblick gab es keine andere Möglichkeit. Meister Fujima war leidlich wieder bei sich, und sie wies ihn an, was er tun sollte. Er gehorchte.
Dann, nach einer weiteren Minute, zerrte sie ihn auf die Beine. Schwankend kam er hoch.
»Wir müssen weiter«, sagte sie leise und eindringlich.
»Danke, mein Kind«, hauchte er. »Ich ... ich glaube, ich kann die Wunde jetzt selber versorgen.«
Mit einer gewissen Faszination beobachtete sie, wie er ihr Aurikel gewissermaßen übernahm, und erlebte dabei wieder einmal eine ihr noch völlig unbekannte Seite der Magie. Meister Fujima war wirklich ein Könner - auch jetzt, da er noch reichlich wacklig auf den Beinen stand. Immer mehr gelangte sie zu der Auffassung, dass er einem Munuel ebenbürtig sein musste.
Endlich war er wieder so weit zu Kräften gekommen, dass sie gemeinsam davonstapfen konnten.
Gablina und Thorim kamen ihnen auf halbem Weg entgegen. Thorim half in sehr fürsorglicher Weise, Meister Fujima, seinen einstigen Gegner, zu stützen.
»Wir haben uns Sorgen gemacht«, sagte Gablina.
»Ja, ich mir auch«, erwiderte Leandra. »Aber wir haben Glück gehabt. Ist auf der anderen Seite alles klar?«
Gablina sah sie vielsagend an. »Irgendwas ist geschehen«, erklärte sie. »Ein Stück vom Durchgang entfernt liegen sechs Leichen. Irgendwer muss alle Mitglieder der zweiten Gruppe getötet haben.«
Leandras Kehle schnürte sich zusammen.
»Und noch etwas«, sagte Gablina. »Alinas Wehen haben begonnen. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Obwohl Meister Fujima nach einiger Zeit wieder selbst laufen konnte, kamen sie immer langsamer vorwärts, denn bei Alina kündigte sich ernstlich die Geburt ihres Kindes an. Alle paar Dutzend Schritte mussten sie stehen bleiben, weil neue Schmerzschübe kamen, und Leandra dachte, dass sie lieber niemals Kinder bekommen wollte, denn die Schmerzen, die Alina litt, mussten furchtbar sein.
Sie nahm sich offenbar sehr zusammen, dennoch liefen ihr die Tränen in Strömen herab und sie stöhnte und wimmerte unter jedem Schub neuer Wehen, die nun
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