Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
geschöpft hatte und im Augenblick sehr munter und lebendig wirkte, begann zu erzählen.
»Ich wisst ja, dass Chast mich damals in Unifar gefangen hielt. Im Tempel von Yoor, diesem unterirdischen Labyrinth unterhalb der Stadt.«
Leandra nickte mit offenem Mund.
»Ich hatte seinen ganzen Plan mitbekommen«, fuhr sie fort. »Meine Entführung, den Mord an der Shabibs-familie, und schließlich sagte er mir ja auch, dass ich die einzige verbleibende Thronerbin sei.« Sie hielt ihr rechtes Handgelenk hoch. Darauf war eine Tätowierung zu sehen, in der ein kleiner Drache ein Dreieck durchflog. »Das hier ist das Siegel des Hierokratischen Rates. Es enthält ein bisschen Magie, glaube ich. Um seine Echtheit beweisen zu können. Also, ich denke, ihr wisst, dass ich eine Tochter des Shabibs bin - aus seiner ersten Ehe.«
»Deshalb ließ Chast dich entführen«, stellte Gablina fest. »Er hatte von Anfang an vor, dich zu schwängern und dich dann zu heiraten. Was ihm den Thron eingebracht hätte.«
Alina nickte. »Ja, und ich wusste von seinem Plan. Er hat nie ein Hehl daraus gemacht. Jedenfalls mir gegenüber.«
»Unglaublich«, sagte Thorim aus dem Hintergrund. »Dann hat er dich also die ganze Zeit in dem Wissen gelassen, dass er dich irgendwann vergewaltigen würde?«
Alina holte Luft. »Also ... es ist und bleibt zwar eine Vergewaltigung, aber das war nicht seine Methode. Nicht mit roher Gewalt.«
»So? Dann mit Magie?«
»Ja, so ähnlich. Chast ist ein Meister der Planung. Er hatte sich alles exakt ausgerechnet. Er kannte sogar die Tage meiner Fruchtbarkeit - nichts wollte er dem Zufall überlassen. Und um mich zu schwängern, hatte er sich von einem Magier ein Duftöl zubereiten lassen.«
»Ein Duftöl?«
Alina nickte eifrig. Leandra sah endlich wieder ihre Wesensart durchblitzen, die sie so ungeheuer anziehend machte. In ein paar Wochen, wenn sie sich körperlich soweit erholt hatte, würde sie zweifellos wieder sein, was Leandra schon immer über sie gedacht hatte: eine der schönsten und bezauberndsten jungen Frauen, die man sich überhaupt nur vorstellen konnte.
»Ja«, fuhr Alina fort. »Man könnte sagen, ein betörender Duft, einer, der mit Magie meinen Willen brechen sollte, mich ihm zu widersetzen. Er dachte wohl, das wäre guter Stil.«
Leandra lachte bitter auf.
»Ich wusste das«, berichtete Alina. »Ich hatte eine seiner Unterhaltungen mit dem Magier belauscht. Er heißt Quendras und ist einer von Chasts Gefolgsleuten. Ich wusste auch ziemlich genau, wann Chast plante, sich über mich herzumachen. Es war die Zeit, in der wir damals in Unifar waren, die Zeit«, damit nickte sie Leandra zu, »als ihr kamt, um gegen Chast zu kämpfen. Ich war verzweifelt. Ich wusste, dass er mich mit Gewalt nehmen wollte, und hatte keine Ahnung, wie ich dem entrinnen konnte. Ich lief endlos durch die finsteren, unterirdischen Gänge des Tempels von Yoor und dachte nach. Eine Zeit lang spielte ich mit dem Gedanken, mich umzubringen. Aber ...«, sie hob die Schultern, »das ist nicht so leicht. Ich brachte es nicht fertig.«
»Ja, aber ...«
Alina hob die Hand. »Warte. Gleich wirst du es verstehen ... Es war also eine Zeit, in der ich ständig durch die Gänge von Yoor lief. Dort konnte ich mich frei bewegen, denn es gab keinen Ausgang für mich. Dann fand ich eines Tages ein Verlies. Ein Verlies, in dem ein Mann eingesperrt war. Er schlief.«
Gemurmel erhob sich unter den Zuhörern.
»Ich konnte ihn durch ein kleines Gitterfenster sehen. Und er sah irgendwie ... na ja, ich weiß nicht ...«, Alina wirkte verlegen, » ...er sah einfach nett aus. Und er konnte keiner von Chasts Leuten sein. Keiner von der Bruderschaft. Er war ein Gefangener.«
Sie legte eine Pause ein und studierte die Gesichter der anderen. »Da kam mir diese Idee. Ich dachte, wenn ich bereits schwanger wäre, dann könnte Chast mich nicht noch zusätzlich schwängern. Ich wusste, wo er die Phiolen mit dem Duftöl versteckt hatte, und ich wusste auch, wie ich an den Schlüssel für das Verlies kommen konnte. Also lief ich los. Niemand sah mich. Ich besorgte mir beides und kehrte zu dem Verlies zurück. Durch das kleine Fenster warf ich eine der Phiolen, die ich gestohlen hatte, in den Raum. Sie zersplitterte auf dem Boden und ich wartete eine Weile. Dann sperrte ich leise die Tür auf und ging hinein.«
Yo machte große Augen. »Und dann hast du dich ...?«
Alina lächelte verlegen. »Er war ganz benebelt, ich bezweifle, dass er es
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