Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Baumwipfeln hinauf.
Leandra sah in die Höhe und erkannte Ulfa, der zwischen den Baumwipfeln schwebte.
»He, Ulfa!«, rief sie. »Da bist du ja! Komm herunter zu uns!«
Der kleine Drache blieb, wo er war. »Hört er denn sonst, wenn du ihn rufst?«, wollte Hellami wissen.
Leandra runzelte die Stirn. »Schwer zu sagen. Manchmal ja, manchmal nein. Ich glaube nicht, dass er es wie einen Befehl auffasst, verstehst du? Eher wie eine Bitte. Und dann ... na ja, entscheidet er selbst.«
Hellami zuckte mit den Achseln. »Ist ja auch egal. Hauptsache, er ist da. Denkst du, er wird uns noch weiter begleiten?«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich habe keine Ahnung - aber ich hoffe es. Er könnte sicher hilfreich sein.«
Der Morgen wurde zum späten Vormittag und sie brachten eine gute Strecke hinter sich. Gegen Mittag machten sie an einem Bach halt, denn ihr Hunger war inzwischen groß geworden. Endlich nahmen sie sich Zeit nachzusehen, was Leandras Mutter ihnen zur Verpflegung eingepackt hatte. Sie fanden Brot, Käse, Hartwurst, Obst und zwei Wasserschläuche. Mutter hatte einen mit verdünntem Wein, den anderen mit Tee gefüllt.
»Was denkst du?«, fragte Leandra, als sie sich niedergelassen hatten und aßen. »Wie lange braucht man von Angadoor nach Savalgor?«
»Ich weiß nicht genau«, antwortete Hellami. »Von Minoor aus war ich beinahe zwei Wochen lang unterwegs. Aber ich bin auch fast nur nachts gelaufen - ständig durch den Wald. Auf die Straßen habe ich mich nicht getraut. Und als mir dann die Soldaten auf den Fersen waren, habe ich viele Umwege gemacht und mich oft für Stunden verstecken müssen.«
Leandra nickte. Sie belegte ein Stück Brot mit Scheiben von der Hartwurst, die sie mit der Makori auf einem Stein heruntersäbelte. Sie bot Hellami davon an. Kauend hob sie den Kopf und sah sich um. Bei diesem schönen Wetter durch Wald und Wiesen zu streifen und dann an einem Bach anzuhalten, um eine Essenspause zu machen, konnte einen dazu verleiten, unvorsichtig zu werden. Es hatte etwas von einem frühsommerlichen Ausflug an sich. Aber davon durften sie sich nicht täuschen lassen. Mochten die Duuma-Leute, die nach Angadoor gekommen waren, auch nicht besonders schlau gewesen sein - im Hintergrund stand jemand sehr viel Mächtigeres, der sie unbedingt kriegen wollte. Und dieser Jemand war, das wussten sie jetzt, Chast.
7 ♦ Der Pakt
Er hatte die Macht des Pergaments gespürt. Und das erschreckte ihn beinahe noch mehr als die Begegnung mit diesem höllischen Wesen - diesem Drakken.
Chast saß seit anderthalb Tagen in der dunkelsten seiner Kammern, und sein Verstand wollte nicht mehr so arbeiten, wie er es gewohnt war. Immer wieder erschien das abgründig verzerrte Gesicht seines ehemaligen Meisters Sardin vor seinem geistigen Auge; dieses Gesicht, das so unerträglich viel Boshaftigkeit und Verderbnis ausgestrahlt hatte. Chast hatte damals keine andere Erklärung mehr finden können, als dass Sardin komplett irrsinnig geworden sein musste -fern der Welt, in einem Kosmos des Wahnsinns treibend und von Gedanken beflügelt, die keinem auch nur halbwegs gesunden Hirn hätten entspringen können.
Und jetzt - jetzt gab es zwei Möglichkeiten: Entweder war nun er selbst vollständig verrückt geworden und konnte seinen Sinnen nicht mehr trauen, oder er lebte tatsächlich inmitten dieser Sphäre, dieses Kosmos des Wahnsinns.
Er hatte damals den genialen Plan ersonnen, sich Sardins zu entledigen - mit Hilfe der magischen Jambala, die seine Kraft nur in den Händen der Adeptin Leandra entfaltete. Chast hatte sich damals selbst zu diesem unerhört gerissenen Einfall gratuliert, und seine Befriedigung, diesen irrsinnigen Sardin los zu sein, war grenzenlos gewesen. Doch dass Sardin in Wahrheit gar nicht verrückt gewesen war ... jedenfalls nicht so verrückt, dass diese unfassbare Pakt-Geschichte nur seinem kranken Hirn entsprungen war ...
Chast schüttelte zum hundertsten Male den Kopf.
Er war mit seinen Plänen weit gekommen - so weit wie nie zuvor; er hatte alle Fäden in der Hand, und es lag in seiner unmittelbaren Reichweite, sehr bald alle Macht im Land in die Hände zu bekommen und sich zum unwiderruflichen Herrscher aufschwingen zu können. Doch nun gab es einen winzig kleinen Unterschied: Er würde es nicht mehr für sich selbst tun können. Er würde es für die Drakken tun müssen!
Wieder streiften seine Blicke den kleinen Tisch, auf dem das zusammengerollte Papier lag, das ihm der
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