Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
war!
Chast sah abermals zu dem Pergament - der Abschrift - hinüber.
Der Pakt verlangte, dass die Bruderschaft mit Hilfe ihrer Rohen Magie die Herrschaft über das Reich Akrania und dann über den Rest der Höhlenwelt an sich riss, um sie schließlich in die Hände der Drakken zu übergeben. Die Welt sollte zwar weiterhin unter der Herrschaft der Bruderschaft stehen, aber die Drakken wollten in Wahrheit diejenigen sein, die zu bestimmen hatten. Ein verwegener Plan - er deckte sich jedoch durchaus mit den Zielen, die Sardin damals gehabt hatte.
Doch was hatten die Drakken damit zu tun? Woher kamen diese Wesen? Stammten sie von dieser Welt -vielleicht aus einem fremden, unbekannten Reich verborgener Höhlen, wie man sie allenthalben immer wieder einmal entdeckte?
Das war kaum vorstellbar. Nicht bei einer solchen Rasse, die offenbar über gewaltige Macht verfügte und auf einer Stufe der Entwicklung zu stehen schien, die weit jenseits dessen lag, was es in der Höhlenwelt je gegeben hatte. Nein, eine solch mächtige Rasse wäre in der Höhlenwelt nicht unentdeckt geblieben, zumal es sie ja offenbar schon so lange gab. Der Pakt war vor zweitausend Jahren geschlossen worden.
Es stellte sich die Frage, was die Drakken zu bieten hatten, das Sardin dazu veranlasst hatte, die gesamte Bruderschaft diesen Furcht erregenden Fremden auszuliefern. Sardin hatte damals tatsächlich nicht gelogen - er war nicht verrückt gewesen! Seine wirren Reden von den Fremden, dem Pakt und dem Lohn, den sie erhalten würden, seine Visionen von der Beherrschung der Welt waren die Wahrheit, wenn auch eine größenwahnsinnige Wahrheit gewesen.
Unfassbar!
Chast wusste nicht, ob er dieser Sache gewachsen war. Die Adeptin Leandra war in Sekunden zu seinem allerkleinsten Problem geschrumpft und er hätte sich gern ein ganzes Heer von Leandras im Tausch gegen diesen Irrsinn gewünscht.
Der Pakt enthielt, um seine Einhaltung durchsetzen zu können, ein höchst bedeutsames Merkmal: eine Doppelmagie, die man den Kryptus und den Antikryptus nannte. Vor zweitausend Jahren waren diese magischen Schlüssel offenbar eine verbreitete Methode gewesen, sich auf magischem Wege an Verträge zu binden. Aber diese beiden Krypti machten Chast Angst. Furchtbare Angst.
Es handelte sich um das Siegel, das sich auf dem Schriftstück befand - es enthielt, so hatte der LiinMar ihm erklärt, höchst verzwickte magische Verwebungen, die ausgelöst wurden, wenn man das Siegel erbrach und dazu eine geheime Schlüsselmagie wirkte. Sie gestatteten jeweils der Gegenseite, die Einhaltung des Paktes einzufordern.
Würde die Bruderschaft die Bedingungen des Pakts erfüllen und die Drakken die Gegenleistung schuldig bleiben, dann konnte der Kryptus angewandt werden. Wollten hingegen er, Chast, und seine Brüder sich weigern, den Pakt zu erfüllen, dann konnte der LiinMar den Antikryptus anwenden. Chast hatte keine genaue Vorstellung, was dann geschehen würde - aber es würde für die Bruderschaft ebenso tödlich enden wie im umgekehrten Fall für die Drakken, so viel stand fest. Und es würde kein schöner Tod werden.
Die Gegenleistung der Drakken sollte darin bestehen, dass die Bruderschaft ein geheimnisvolles Objekt namens Okryll erhielt. Als Chast zu wissen verlangt hatte, was dieser Okryll für eine Bedeutung hatte, hatte ihm der LiinMar mit seinem ekelhaften, kalten Echsenlächeln entgegengehalten, dass Sardin dies wisse. Man solle ihn nur fragen.
Chast war verstummt, sich im Unklaren darüber, ob der LiinMar wusste, dass er der Verantwortliche für Sardins Tod war. Dass die Drakken davon wussten, dass Sardin nicht mehr lebte, war klar - andernfalls hätten sie sich mit der Einforderung der Leistungen des Paktes nicht an ihn, Chast, gewandt.
Angesichts des Mordes an Sardin hatte er nicht mehr weiterzufragen gewagt. Dennoch - er hätte es tun sollen! Was, beim Stygium, war der Okryll? Welcher Art war dieser Gegenstand - wenn er denn ein Gegenstand war -, welches Geheimnis steckte hinter ihm?
Es waren Rätsel über Rätsel. Zweifellos hatte der LiinMar genaue Kenntnis über diesen Okryll und auch über die Pläne seiner Artgenossen, selbst wenn er vielleicht nicht der Höchste unter ihnen sein mochte. Aber er hatte Chast in ihrem kurzen, beängstigenden Gespräch nicht mehr mitteilen wollen. Es schien ihm zu genügen, mit dem Pakt die Macht in Händen zu halten, seine Ziele durchsetzen zu können - und das kalte, unbewegte Echsengesicht hatte keine Spur einer
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