Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
und schlug ein paar Mal auf und ab.
»Guten Morgen«, sagte Hellami freundlich.
Leandra zog die Brauen hoch, als sie Ulfa auf Hellamis Hand sitzen sah.
Hellami seufzte wohlig und betrachtete den kleinen Drachen. »Er ist wirklich wundervoll«, sagte sie.
Ein kleines Lächeln breitete sich auf Leandras Gesicht aus.
»Komm, zieh dich an!«, sagte Hellami. »Du erkältest dich sonst. Wir sollten weiter, solange Ulfa noch ruhig ist.«
Leandra seufzte leise und ließ sich wieder zurücksinken.
Sie rückte ein wenig zu Hellami und sah in die Morgendämmerung hinaus. Auf der anderen Seite des Flusses schälten sich die entfernten Umrisse eines Stützpfeilers, der über einem weitläufigen Hügel aufragte, aus der Dämmerung. Links davon lag ein großes Sonnenfenster im Felsenhimmel, dessen Helligkeit langsam zunahm. Der Morgen war ruhig, dunkel und friedlich.
Als sie zu Leandra hinabblickte, sah Hellami Tränen in ihren Augen. Sie starrte zur Seite. Die Tränen überraschten sie. Sie streckte ihre Hand nach Leandras aus.
»Hör mal«, sagte Hellami. »Ich glaube, du missverstehst etwas.«
Leandra blickte auf. Ihr Gesicht spiegelte nur eine gewisse Traurigkeit - so als hätte sie Hellamis Zuneigung verloren. Aber das stimmte gar nicht. Sie musste es Leandra erklären.
»Es ist wegen Victor, nicht wahr?«, fragte Leandra.
Hellami nickte langsam.
Leandra richtete sich auf. »Aber ... ich verstehe das nicht, Hellami! Wir haben uns doch niemals irgendwelche Versprechungen gegeben. Wir wussten ja nicht einmal, ob wir uns je wieder sehen würden ...« »Warte, Leandra. Du verstehst das falsch ...«
Leandra schien sie nicht gehört zu haben. Sie schüttelte entschlossen den Kopf. »Ich kann auf die Erinnerung an Victor nicht verzichten!«, sagte sie entschlossen, aber es mangelte ihrer Stimme an Festigkeit. »Er hat mir so viel Kraft gegeben - und mir mehr als nur einmal das Leben gerettet. Du ahnst nicht, wie oft ich völlig am Ende war, und wäre er nicht für mich da gewesen ... ich weiß nicht, ob ich es geschafft hätte. Er hat mich, als ich mehr tot als lebendig war, nach Angadoor zurückgebracht, ist fast den ganzen Weg zu Fuß neben dem Karren hergelaufen ...«
»Ja, Leandra, ich verstehe dich doch!« Leandra blickte hoffnungsvoll auf. »Wirklich?« Hellami winkte ab. »Natürlich. Es geht um etwas ganz anderes. Seit Tagen denke ich darüber nach.« Leandras Blicke waren voller Fragen. »So?« »Nun ... ich glaube, ich kenne ihn auch. Deinen Victor.«
Leandra richtete sich nun ganz auf. »Wie meinst du das?«, fragte sie.
Hellami zuckte die Schultern. »Er ... war in Minoor. Vor einem halben Jahr.« »Was? In Minoor?«
Hellami starrte auf einen Punkt an dem großen Stützpfeiler. »Ich habe nicht gewusst, wer er ist«, versuchte sie zu erklären. »Ich ... nun, es ist mir erst klar geworden, als du diese Sache von diesem ... zum Tode Verurteilten erzähltest.«
Leandra holte Luft und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe gar nichts.«
Hellami suchte nach Worten. »Also, es war vor ... etwa einem halben Jahr - da kam ein Kerl nach Minoor. So ein großer Bursche mit leuchtenden Augen und struppigem braunem Haar.« Leandra starrte sie nur verwirrt an. »Aber er hatte etwas Trauriges in seinem Blick«, fuhr Hellami fort, »ich kann dir auch nicht sagen, was mir an ihm so sehr gefiel. Zuerst beachtete er mich gar nicht, aber dann, nach ein paar Tagen, kam er auf mich zu. Ganz offen und mit seinen leuchtenden Augen. Er sagte, er heiße Vincent.« »Vincent?«
Hellami hob entschuldigend die Schultern. »Was soll ich sagen - ich verknallte mich in ihn. Er war wahnsinnig nett, weißt du? Sehr respektvoll, warmherzig und lieb. Einfach lieb. Ich hatte wochenlang Royas große Schwester gespielt und fühlte mich gar nicht mehr wie ich selbst. Roya war zu diesem Zeitpunkt nicht da, sie besuchte irgendwo in den Wäldern einen Einsiedler, glaube ich. Deswegen kam ich wieder ein bisschen zu mir. Plötzlich war er da, genau in dieser Zeit - und auf einmal war ich wieder ich selbst.«
»Aber ... ich verstehe nicht!« Leandra schüttelte den Kopf. »Wie kommst du darauf, dass er Victor war?«
»Nun - er war etwa eine Woche da, bevor er spurlos wieder verschwand. Ich heulte ungefähr noch mal so lange, bis ich mich wieder eingekriegt hatte. Als ich ihn einmal fragte, woher er komme, sagte er mir nur, allerdings ziemlich traurig, eine wunderschöne Prinzessin hätte ihn aus einer Todeszelle befreit. Ich konnte lange nichts
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