Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur

Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur

Titel: Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
Vom Netzwerk:
losbrechenden Tränenflut rettete sie sich vor dem, was sie heranrasen spürte, in eine Zimmerecke.
    Kurz darauf wurde die gesamte Vorderwand der Hütte eingedrückt, als bestehe sie aus Papier. Im nächsten Augenblick zerfiel sie zu einem Haufen verkohlter Trümmer, ohne dass dabei irgendeine Entwicklung von Hitze zu spüren gewesen wäre. Das Feuer im Kamin war schlagartig erloschen und der Sturm heulte durch die riesige Öffnung herein.
    Zwischen ihren verzweifelt hechelnden Atemzügen und Strömen von Tränen wurde Leandra klar, mit welcher Gewalt die hier arbeitende Magie am Werk war. Eine mächtige Verwebung stygischer Energien im Diesseits - eine Verwebung, die, nach allem, was sie wusste, die Gegenwart eines Dämonen bedeuten musste.
    Der Regen prasselte mit unverminderter Wut herab, und das freie Feld, das sie durch das riesige Loch in der Vorderwand der Hütte erblicken konnte, wurde von zuckenden Blitzen erhellt und unter dem Krachen und Dröhnen der unmittelbar nachfolgenden Donnerschläge begraben.
    Dann sah sie es.
    Dort draußen hatte sich ein nebelhaftes, schwarzes Ding gebildet, mindestens so groß wie die Hütte selbst, und seine stygischen Auswüchse waberten und peitschten in alle möglichen Richtungen. Durch das Ding hindurch glaubte sie im Hintergrund immer wieder eine menschliche Gestalt im Regen erkennen zu können; eine Gestalt, die in hingekauerter Haltung die Arme nach vorn gestreckt hielt wie ein Dirigent, der sein Orchester leitet. Sie konnte nicht erkennen, wer es war, aber es schien nur allzu klar, dass es sich um Usbalor handeln musste. Der oder die Bogenschützen waren nicht zu sehen.
    Sie versuchte, ihre verzweifelten Atemzüge zu beruhigen, und fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht, um die Tränen fortzuwischen und wieder besser sehen zu können. Ihre Blicke suchten Hellami im Dunkel der Hütte und fanden sie dann - gekennzeichnet durch den hoch aus ihrer Brust aufragenden Pfeil. Sie lag vollkommen still da, und so sehr sich Leandra auch bemühte, konnte sie kein Heben oder Senken ihres Brustkorbes mehr erkennen.
    Sie hätte sich durch das Trivocum an sie herantasten können, hätte dabei ganz leicht zu sehen vermocht, ob ihr Herz noch schlug - doch sie wagte es nicht. Sie fürchtete die Brutalität der Wahrheit; sie wusste, dass sie vielleicht aufgeben würde, hätte sie Gewissheit über Hellamis Tod. Diesen Hoffnungsschimmer, der wohl gar keiner mehr war, brauchte sie, um sich überhaupt noch wehren zu können. Diese Schweine hatten am Ende Hellami getötet1. Den einzigen Menschen, der ihr im Augenblick noch hätte weiterhelfen können, unter diesem wahnsinnigen Druck der Verfolgung, den Chast ihr auferlegte.
    Wut brandete in ihr auf. Größere Wut noch, als sie sich erinnern konnte, jemals verspürt zu haben. Sie schwappte wie eine Woge glühender Lava aus ihrem Herzen die Kehle herauf, und ihr Wunsch, zuerst den hinterhältigen Bogenschützen zu zerreißen und anschließend den feigen Usbalor, verlieh ihr einen übernatürlichen Willensschub.
    Doch sie war schon zu erfahren, um jetzt so unbedacht zu handeln wie die arme Hellami. Sie schloss die Augen, lehnte den Kopf zurück und kalte, präzise Gedanken traten die Reise durch ihr Hirn an. Mit einem Mal wusste sie, dass der Moment gekommen war, alle Skrupel, welche die eigene Sicherheit betrafen, fallen zu lassen und die furchtbaren Kräfte heraufzubeschwören, deren Schlüssel sie in Munuels kleinem Büchlein gefunden hatte.
    Ein spöttischer Ausdruck überzog ihr Gesicht, als sie die Gegenwart des Dämonen dort draußen näher rücken sah. Mit einer Konzentration, die ihrer übersteigert verhärteten Seele entsprang, öffnete sie ein gefährliches Aurikel der sechsten oder siebenten Iteration im Trivocum - wo es genau lag, wusste sie nicht einmal zu sagen. Auf jeden Fall lag es viel höher, als es für eine Adeptin wie sie in irgendeiner Weise vernünftig gewesen wäre. Es erstrahlte hell und stark mit seinen typischen hellgelben Rändern vor ihrem Inneren Auge. Aber anstatt jetzt die Energien aus dem Stygium herüberströmen zu lassen, wie es die Elementarmagie vorsah, setzte sie einen völlig andersartigen Schlüssel und drängte dann durch Willensanstrengung diesseitige Energien ins Stygium. Sie konnte förmlich spüren, wie sich die Kräfte des Chaos und der Unordnung auf ihren Energiestrom stürzten - aber sie ließ sich nicht beirren. Schon in diesem Moment spürte sie, dass es funktionierte - in viel stärkerem

Weitere Kostenlose Bücher