Höhlenwelt-Saga 03 - Der dunkle Pakt
Tunneldecke. Während sie es anfangs sehr eilig gehabt hatte, Sardins Turm aufzusuchen, schien sie mit einem Mal gar nicht mehr so selbstsicher zu sein.
»Wie weit ist es noch?«, fragte sie von hinten. Der gepresste Hall ihrer Stimme verlor sich rasch in der Dunkelheit vor und hinter ihnen.
»Ich weiß nicht genau. Eine halbe Stunde vielleicht noch. Ich sagte ja, es sind ungefähr sechs oder sieben Meilen.«
Ihre Stimme klang angstvoll und wütend zugleich. »Ein sieben Meilen langer Tunnel. Was für eine beschissene Idee!«
»Vielleicht gar nicht so beschissen«, warf er ein. »Hätte Roya den ganzen Spuk nicht aufgedeckt, hätten wir uns niemals getraut, ganz hindurch zu gehen. Wahrscheinlich hätten wir schon nach hundert Schritt die Nerven verloren.«
Sie holte geräuschvoll Luft. »Kann ich gut verstehen«, murmelte sie.
»Es ist nicht weiter schlimm«, versuchte er sie zu beruhigen. »Sardins Gesicht schwebt da nur in der Dunkelheit.
Er scheint gar kein Interesse zu haben, sich irgendwie zu manifestieren. Wie bei Limlora, verstehst du?«
»Es ist nicht Sardin, der mir Angst macht«, sagte sie leise. »Jedenfalls jetzt noch nicht. Es ist dieser Tunnel.«
»Der Tunnel?«, fragte er.
»Ja, ich habe gerade erst ein Erlebnis mit einem Tunnel hinter mir.«
Victor hätte gern wissen wollen, um was es sich handelte, aber ihre Laune war reichlich übel. Er vertröstete sich auf später und sie liefen schweigend weiter. Schließlich erreichten sie die Stelle, an der die Treppe begann, und Victor verlangsamte seinen Schritt. Er deutete nach oben. »Nun hast du's bald hinter dir. Hier geht's aufwärts. Nicht mehr lange und wir sind wieder an der frischen Luft.«
Leandra drängte sich an ihm vorbei und stieg ungeduldig die felsigen Stufen hinauf, immer gleich zwei auf einmal nehmend.
»Langsam«, rief er ihr hinterher. »Die Treppe ist lang!«
Sie achtete nicht auf ihn. Dann war sie ihm plötzlich schon ein gutes Stück voraus und er beschleunigte seinen Schritt, aber außer dem schwachen Schein ihres Lichtes, der noch zu ihm herabdrang, bekam er nichts mehr von ihr zu sehen - so schnell er auch die Stufen hinaufhastete. Seine Beine begannen zu schmerzen und er keuchte, wollte aber nicht allein in der Dunkelheit zurückbleiben. Er zwang sich, Schritt zu halten, rief ein paar Mal nach ihr, aber sie antwortete nicht. Nach einer rasenden Viertelstunde sah er endlich Tageslicht über sich, und als er aus dem Felsentunnel auf den breiten Sims des Turmes hinausstolperte, pochte das Blut in seinen Schläfen und Ohren. Seine Beine waren nahe daran, unter ihm nachzugeben.
»Verdammt«, keuchte Leandra, die zwei Schritt vor ihm schwer atmend auf dem Boden saß und sich gegen die Mauer des Turmes gelehnt hatte. Schweißbäche liefen über ihr Gesicht herab. »Tut mir Leid - ich hab einfach Angst bekommen.« Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Für die Rückreise müssen wir uns Tirao holen.« Sie deutete kopfschüttelnd in den dunklen Tunneleingang. »Ich glaube nicht, dass ich mich noch einmal da runter traue.«
Victor ließ sich neben ihr auf den Hintern fallen und legte seine Hand auf die ihre. »Ich bin doch ein Held«, sagte er zwischen keuchenden Atemzügen. »Ich beschütze dich einfach. Was meinst du?«
Sie nickte schnaufend. »Wunderbar.«
»Wir können Tirao nicht einfach wecken«, erklärte er. »Der Primas sagte, er müsse mindestens zwei Tage schlafen. Zweitens kann er hier gar nicht landen. Ich hab es schon mit Faiona probiert. Es ist zu gefährlich.«
Leandra seufzte nur und lehnte sich an ihn.
Er sagte ebenfalls nichts, blieb einfach sitzen. Er mochte es, einfach nur neben ihr zu sitzen und ihre Nähe zu spüren. Nach einer Weile richtete sie sich wieder auf, wischte sich die Schweißreste von der Stirn und blickte die gewaltige Mauer hinauf.
»Das ist ein Turm?«, fragte sie.
Er nickte. »Das Ding ist riesig. Die Mauer muss über sechzig Ellen dick sein. Trotzdem kann man ihn von Hammagor aus überhaupt nicht sehen. Er verschmilzt mit der Landschaft.«
Er deutete hinab auf das rötlich graue Land, wo sich im dumpfen Licht des Tages von Noor die Festung in den Schatten des nahen Felspfeilers duckte.
»Das ist doch völlig verrückt, hier so ein Bauwerk hinzusetzen!«, sagte sie kopfschüttelnd und deutete auf Hammagor. »Das nächste Dorf ist zwei- oder dreihundert Meilen entfernt. Hier gibt es nichts, keinen Baum, keinen Strauch, kein jagdbares Wild und nicht mal ein Kornfeld oder
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