Höhlenwelt-Saga - 08 - Die Magie der Höhlenwelt
Jersh’a’Shaar. Sie verlangten zwar kaum etwas, weil wir sie schon genetisch so stark
auf unsere Ansprüche zurechtgestutzt hatten, aber es war unübersehbar, wie entsetzlich ihr Dasein war. Sie wurden, allein, weil
sie so viele waren, in Ghettos zusammengepfercht, ohne dass sie
auch nur das kleinste Freizeitvergnügen hatten. Sie wurden massenernährt, schliefen in Massenlagern, und überdies war es uns
auch noch gelungen, ihre Erbanlagen mit unserem gewonnenen
Wissen über das Vermeiden der Zellalterung so zu modifizieren,
dass sie praktisch ewig leben konnten. Dabei unterlagen sie nicht
einmal den körperlichen Veränderungen, denen wir selbst ausgesetzt waren. Die Jersh’a’Shaar waren die perfekte WegwerfRasse, wir ließen sie schuften, bis sie umfielen, fertigten sie im
Massenbetrieb ab und entsorgten sie, wenn sie völlig verschlissen
waren. Das vielleicht Schlimmste daran war, dass sie sich nicht
wehrten. Sie konnten nicht. Sie machten alles mit, sie arbeiteten
und starben irgendwann – einfach daran, dass sie verschlissen
waren. Auch wenn man nicht mehr biologisch altert, kann man
einfach seine Substanz so weit verlieren, dass der Körper stirbt.«
Leandra atmete schwerer. Dass ausgerechnet die verhassten
Drakken eine zu Tode geschundene Rasse waren und ein
Höchstmaß an Mitleid verdienten – daran musste sie sich erst
gewöhnen. Und ihr war bewusst, dass mit Sergans Bericht der
Leidensweg der Drakken noch nicht einmal vollständig beschrieben war, denn seine Erzählung endete vor rund fünftausend Jahren. Gleichzeitig wuchs das Konto der Schuld der Pusmoh ins
Unermessliche. »Dann kamen die Leviathane hinzu«, erklärte
Sergan. »Sie waren eine weitere Art, die unter das Messer von
uns Imokanern gerieten. Zehntausende dieser riesigen Wesen
wurden abgeschlachtet und unseren Zwecken dienstbar gemacht,
abermals eine Art, die sich weder wehren noch ihre Schmerzen
äußern konnte. Hinzu kam, dass entdeckt worden war, dass die
Leviathane eine besondere Funktion hatten, was die galaktische
Ökonomie angeht. Leider ist nichts mehr davon überliefert, weil
der Hohe Göttliche Rat von Majinu – so nannte sich der Heilsbringer Paulos mit seinen Vertrauten, den reichsten und mächtigsten
Leuten von Majinu – weil der Rat diesen Forschungszweig ab
schaffte und alle Aufzeichnungen vernichten ließ.«
Leandra atmete immer schwerer. Sie war auf schlimme Dinge
gefasst gewesen, aber was sie von Sergan hörte, übertraf ihre
Befürchtungen noch. Besonders, da sie wusste, dass die Geschichte der Pusmoh noch viel weiter reichte.
»Wir brauchten Jahre, bis das Fass voll war«, berichtete Sergan
weiter, »Jahrhunderte nach deiner Zeitrechnung. Und vielleicht
wäre es von selbst nie übergelaufen – was ein schlechtes Licht
auf uns wirft. Dann aber erhielten wir die Weisung, unsere Produktion noch wesentlich auszubauen, denn man hatte weit draußen im All eine intelligente Rasse entdeckt, die man unterwerfen
wollte – die Ajhan. Noch für viele Jahre blieb es ruhig, und wir
kurbelten die Produktion an. Ganze Raumschiffsflotten wurden
hergestellt und mit Jersh’a’Shaar bemannt, die speziell auf militä
rische Anforderungen entwickelt worden waren. Dann aber sahen
wir, was wir im Begriff standen zu tun, und es erhoben sich
Stimmen auf Imoka. Stimmen, die auf das unübersehbare Leid
der Jersh’a’Shaar und der Leviathane hinwiesen und die zugleich
auch die Befürchtung äußerten, wir auf Imoka würden eine weitere Rasse der Milchstraße gnadenlos für unsere Zwecke missbrauchen und zerstören.« »Und es gab einen Aufstand?«
»Nicht einmal das!«, rief Sergan aus. »Kaum regte sich bei uns
ein kleiner Widerstand, gab uns der Hohe Göttliche Rat auf Majinu
zu verstehen, dass wir zu gehorchen hätten. Auf Majinu saßen die
Machthaber, die wirklich reichen Leute, und sie hatten das Sagen.
Hinzu kam, dass ein dunkler Geist unser Volk ergriffen hatte; etwas, das sich Bahn brechen wollte, wie um den Schlag des
Schicksals wieder wettmachen zu wollen, mit dem es uns immer
mehr unsere körperliche Leistungsfähigkeit und Schönheit nahm.
Eine Theorie eines imokanischen Philosophen der damaligen Zeit
besagte, dass besonders die Reichen unter diesem Stigma litten,
denn selbst mit all ihrem Geld und ihrer Macht konnten sie ihren
körperlichen Niedergang nicht aufhalten.« »Wirklich? All das Unrecht gegen die Drakken und die Leviathane als eine Art Racheakt
gegen die Unerbittlichkeit des Schicksals? Was können
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