Höhlenwelt-Saga - 08 - Die Magie der Höhlenwelt
trennen. Ich mache mir nur furchtbare Sorgen
um Mai:Tau’Jui. Ich habe sie schon einmal verraten…«
»Ach, Unsinn!«, brauste sie auf. »Die Drakken haben dich dazu
gezwungen, sie zu bespitzeln – und zu jener Zeit kanntest du
Mai:Tau’Jui doch noch gar nicht! Jetzt sind es wieder die Drakken,
die ihr Schwierigkeiten machen. Du kannst gar nichts dafür.«
Roscoe schwieg. Damit, dass Leandra ihn nun auch noch verteidigen würde, hatte er nicht gerechnet. Wieder sah sie zu ihm auf.
»Du willst mich gar nicht verlassen?«
Er sah sie ernst an. »Ich möchte nach Mai:Tau’Jui sehen.
Das bedeutet, dass wir verschiedene Wege einschlagen. Was
aus uns wird – wer weiß das schon. Was wir vorhaben, ist gefährlich, für jeden von uns.«
Leandra studierte seine Miene, dann ließ sie ihn seufzend los.
»Du hast Recht. Was zuletzt sein wird – das weiß niemand.«
Er versuchte sie zu halten. »Warte, Leandra. Sei nicht traurig.
Ich hätte keine Ruhe, wenn ich jetzt mit euch ginge. Vielleicht
sehen wir uns bald wieder.«
Leandra nickte mit trüber Miene, befreite sich von ihm und ließ
sich in den Pilotensitz fallen. Wortlos setzte sie den Biopole-Helm
auf, klappte den Augenschirm herunter, und Roscoe sah schon,
dass er sich besser auch wieder hinsetzte. Er behielt Recht.
Leandra münzte ihre Frustration in Versuche von wilder Flugakrobatik um – aber sie machte es überzeugend. Inzwischen waren
sie schon in die Bereiche kosmischer Materie vorgedrungen, die
den Achion-Nebel umgab. Immer mehr riesige Eiskristalle und
Felder von kleinen Asteroiden tauchten auf, und Leandra beschleunigte die Faiona bis auf über siebzig Prozent C. Bei diesem
Tempo wurde der Raum um den Nebel enger und enger, und die
notwendigen Flugmanöver mussten immer präziser werden. Riesige Asteroiden huschten an der Faiona vorbei, einmal sogar ein
dunkler Planet, der herrenlos im All trieb, dann passierten sie ein
Dreigestirn, das aus einer normalen Sonne, einem Weißen Zwergstern und einem Roten Riesen bestand, die in gemeinsamer Kraft
die kosmische Materie des Nebels zum Leuchten brachten. Die
Farbe des Nebels wandelte sich überraschend, als er aus dem
Hintergrund von einem hellen, orangefarbenen Stern beleuchtet
wurde, zu einem samtigen Grün, an den Rändern wieder zu Blau
verlaufend. Sie umrundeten den Achion-Nebel ein Mal; hätten sie
dabei nicht einige kurze TT-Sprünge vollführt, hätte die Reise
Jahre gedauert.
Immer wieder musterte Roscoe Leandra von der Seite, und obwohl er ihre Augen nicht sehen konnte, hatte er das einigermaßen
beruhigende Gefühl, dass sie weder zu Tode gekränkt noch maßlos enttäuscht war. Ein wenig schon, aber nicht maßlos.
Trotz aller Leidenschaft und aller Liebe umgab Leandra etwas
Rastloses – etwas, das ihr verbot, sich zu binden.
Für ihn war sie beinahe wie der Inbegriff des Freiheitsdranges.
Sie war ein Mädchen, das andere durch einen unbeugsamen Anspruch auf Freiheit mit sich riss, jemand, der Mauern einriss und
Barrieren umstürzte, und wohl die beste wie auch schillerndste
Anführerfigur in diesem Kampf, um dem verhassten Pusmoh seine Maske herunterzureißen. Roscoe fragte sich, ob er vielleicht
nicht schon von Beginn an gespürt hatte, dass Leandra, so zauberhaft und begehrenswert sie auch sein mochte, niemals eine
Geliebte für lange Zeit oder gar für immer hätte sein können.
Vielleicht zog ihn dieses Wissen mehr als alles andere zurück zu
Mai:Tau’Jui.
Nach einigen Stunden ausgelassenen Herumkurvens und Staunens im Achion-Nebel hatte sich Leandras Stimmung wieder gebessert, und sie machten sich auf den Heimweg nach Aurelia-Dio.
Leandra schaffte die vierzig Lichtjahre in knapp unter fünfzig Minuten.
11
Rasnors Verwandlung
»Sie müssen noch hier an Bord sein!«, kreischte Rasnor voll
heißem Zorn. »Sie müssen! Irgendwo auf diesem riesigen Schiff
haben sie sich versteckt!« Darauf würde ich nicht wetten. Du hast
sie entkommen lassen, du Idiot! »Halt’s Maul!«, schrie Rasnor.
»Sie sind noch hier! Ich kann sie riechen! Wie sollen sie von Bord
gekommen sein? Mit einem der Shuttles? Das ist unmöglich!«
Seit einer ganzen Weile schon marschierte er wütend in seinem
Reich auf und ab – einer bizarren Ansammlung von edlen, barocken Möbeln, die er sich in der Mitte der riesigen Brücke der MAF1 hatte aufstellen lassen, einem fast kugelförmigen Raum von
dreihundert Ellen Höhe, der ein gigantisches Sichtfenster zur Höhlenwelt hin besaß. Immer wieder trat
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