Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
geholfen. Niemand von uns ahnte aber, dass wir zu dieser Zeit in Wahrheit bereits gegen die Bruderschaft von Yoor kämpften. Der Dämon, so wissen wir jetzt, war gar nicht der wahre Gegner. Als wir ihn besiegt hatten, glaubten wir, die Gefahr gebannt zu haben.«
»Und in Hegmafor ging danach alles weiter wie zuvor? Das ist kaum zu glauben!«
»Nein!« Munuel schüttelte den Kopf. »Die Große Stygische Schule wurde erst nach der Schlacht von Hegmafor in den Mauern der Abtei gegründet. Ihren Vorsitz führte der große Lothse, der berühmteste Magier der damaligen Zeit. Wir hatten die Katakomben ausgebrannt und zugeschüttet. Die Abtei sollte fortan als ein Mahnmal bestehen bleiben, unter dem Schutz eines höchst ehrenwerten Direktorats.« Er lächelte bitter. »Wir glaubten damals sogar, etwas besonders Kluges getan zu haben.«
Leandra zog eine Grimasse. »Hat leider nicht geklappt, was?«
Munuel war genötigt, ihr mehr zu erzählen. Als Trägerin der Jambala war sie nun eine der wichtigsten Personen in der Gilde, und es gab keinen vernünftigen Grund, sie über irgendetwas im Unklaren zu lassen. Also begann er mit einem umfassenden Bericht. Während er ihr alles über den seltsamen Besucher in Angadoor erzählte, der dann gestorben war und sich als der große Lothse herausgestellt hatte, verwandelte sich ihre Neugier in Verwunderung, dann in maßloses Erstaunen und zuletzt, beim Bericht über die mutmaßliche Unterwanderung der Gilde, in Bestürzung.
Nachdem Munuel geendet hatte, war sie sehr nachdenklich geworden. Die ganze Tragweite dieser Geschichte war trotz allem, was sie bisher schon mitbekommen hatte, ein weiteres Mal überraschend. Sie hatte vor zwei Wochen noch nicht ahnen können, dass ihr Lehrer und Meister in den vergangenen dreißig Jahren weit mehr gewesen war als nur ein einfacher Dorfmagier. Sie ritten schweigend weiter.
Schließlich tauchte ein Schild auf, das von einer Ortschaft namens Waidenbruch kündete. »Da ist der Marktflecken, von dem ich gesprochen habe!«, sagte er und deutete auf das Schild.
Leandra nahm die Ablenkung dankbar an und ließ Bushka in leichten Trab fallen.
Bald darauf ritten sie in Waidenbruch ein, und Leandra zeigte sich sehr verlegen in ihrem alten Mantel. Ein paar Leute starrten sie erstaunt an. Sie stürmte in den ersten Krämerladen, den sie erblickte, knallte ein paar Münzen auf den Tisch und scheuchte den Ladenbesitzer auf, ihr schnellstens etwas zum Anziehen zu geben. Der Mann beeilte sich, ihr die wichtigsten Kleidungsstücke zu verschaffen. Sie achtete nicht darauf, was sie kaufte, Hauptsache, sie hatte erst einmal Kleidung. Sie würde ohnehin noch mehr brauchen. Noch im Laden bestand sie darauf, sich in einem Hinterzimmer umkleiden zu können - ungeachtet dessen, dass sie sinnvollerweise zuerst ein Bad genommen hätte. Erst als sie wieder wie ein Mensch gekleidet zurückkam, gestattete sie sich ein Aufatmen. Der Krämer starrte sie verschreckt an, er wusste gar nicht, wie ihm geschehen war. Sie nahm das Wechselgeld vom Tresen, schenkte ihm ein übertrieben schwärmerisches Lächeln und verließ den Laden. Als nächstes wollte sie ein Bad nehmen, dann erst wollte sie losgehen und sich etwas besorgen, das sie wieder wie eine Frau aussehen ließ.
»Ich hab schon ein Gasthaus ausfindig gemacht«, erklärte Munuel, als sie herauskam. Sie saß auf, und sie ritten das letzte Stück.
Eine Stunde später erschien sie dann wieder in der Wirtsstube des Gasthauses. Sie hatte den Wirt ebenso resolut in die Pflicht genommen und auf einer riesigen Wanne voller heißer Seifenlauge bestanden. Munuel saß zufrieden an einem Tisch und kaute an einem Hühnerbein.
»Aaah!«, machte er gedehnt, als er sie sah. »Leandra! Wo kommst du denn her? Da bin ich aber froh. Ich hatte nur so ein dreckiges Frauenzimmer dabei, aber das ist, den Kräften sei dank, inzwischen verschwunden ...!«
Sie streckte ihm die Zunge aus, nahm ihm dann das Hühnerbein aus der Hand und setzte sich. »Ich hab vielleicht einen Hunger ...«
»Iss nur. Ich habe mich im Dorf ungesehen.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Es wird dich freuen zu hören, dass unten am Fluss ein großer Markt ist. Da kannst du dir besorgen, was du noch brauchst.«
Leandra hatte sich Munuels Gericht zu eigen gemacht und nickte ihm zwischen zwei Bissen und einem riesigen Schluck aus dem Ziegenmilchbecher zu. »Kann man da auch Kleider kaufen?«, fragte sie kauend. »Diese Sachen hier sind nicht schlecht, aber
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