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Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor

Titel: Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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Befürchtung gab sie keinen Laut von sich. Noch nicht.
    Er stand wie versteinert da und rührte sich nicht vom Fleck. Fieberhaft überlegte er, was er jetzt tun sollte. Es wäre kein Problem gewesen, ihr eine Magie entgegenzuschleudern, die sie packte, sie lähmte, ihre Stimme versiegen ließ oder sie gar umbrachte. Für all dies hätte es jedoch einer vergleichsweise hohen Iteration bedurft, und damit hätte er gleich dem fremden Magier entgegenbrüllen können, dass er hier war.
    Und irgendwie wollte er ihr nichts antun. Sie hatte etwas Unschuldiges an sich, etwas, das ihm geradezu hilflos vorkam - er vermochte es nicht zu beschreiben. Und außerdem ... sie war so schön und wirkte so verletzlich.
    Dann tat er etwas, das ihm irgendwie absurd erschien, aber er tat es ganz automatisch und ohne nachzudenken.
    Er hob den Arm und legte den Finger an den Mund, in einer Geste, dass sie keinen Lärm machen, ihn nicht verraten sollte.
    Sie ließ ihrerseits die Hand, die sie vor den Mund hielt, zögernd bis hinab vor ihre Brüste sinken, um sich noch mehr zu bedecken. Dann blickte sie über die Schulter, um nach dem Mann im Bett zu sehen. Jede ihrer Bewegungen erschien ihm so zart und so graziös, dass ihm beinahe schwindlig wurde. Er war trotz seiner sechzig noch in jeder Hinsicht ein Mann, und die Tage, die er mit Leandra verbracht hatte - besonders der Nachmittag, an dem sie nur in ihrem Kettenhemd geritten war - hatten nicht wenige Sehnsüchte in ihm geweckt. Leandra war ein bildschönes Mädchen mit einer wundervollen Figur.
    Aber gegen diese hier verblasste sie beinahe. Er wusste nicht, ob er jemals zuvor eine so schöne Frau gesehen hatte.
    Sie wandte den Kopf wieder um und sah ihn an. Sie war ganz gewiss keine Konkubine oder Hure, dazu sah sie viel zu ... Munuel fiel kein Wort ein, ihre Erscheinung zu umschreiben. Sie stand nur etwa sieben oder acht Schritte von ihm entfernt. Ihr Körper war eine schlanke Silhouette in der schwachen Glut des Feuers, und in ihren Augen spiegelten sich winzige gelbrote Funken. Er hätte gern gewusst, welche Farbe sie besaßen. Sie tat nichts, als dazustehen - und in ihrer Haltung lag etwas seltsam Hilfloses, so als wäre sie eine Gefangene, die nicht ausbrechen konnte.
    Munuel nahm seinen Finger wieder herunter. Obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug, standen sie sich noch viele Sekunden schweigend gegenüber. Er schalt sich dafür, dass er sich von ihrem Anblick nicht losreißen konnte. Beinahe hätte er den Mann vergessen, der in ihrem Bett lag - diesen Mann, der wahrscheinlich ein Monstrum war, das jeder Beschreibung spottete. Langsam kam ihm ein Verdacht, warum sie nicht um Hilfe gerufen hatte, als sie ihn, einen fremden Mann, in ihrem Zimmer erblickte.
    Munuel musste etwas tun. Seine linke Hand ruhte noch immer auf dem heruntergedrückten Türgriff. Abermals bedeutete er ihr, still zu bleiben, auch um ihr zu zeigen, dass er ihr nichts tun wollte. Dann öffnete er vorsichtig die Tür hinter sich, blickte sich um und sah, dass draußen nur schwaches Licht herrschte. Er trat beiseite, öffnete die Tür ganz und schlüpfte hinaus. Er blickte vorsichtig den Gang hinab - niemand hielt dort Wache. Dann streckte er den Kopf wieder ins Zimmer und warf einen letzten Blick auf das Mädchen, das noch immer unbewegt dastand.
    Im letzten Augenblick, als er irgendeinem seltsamen Impuls folgend die Hand hob, um ihr einen Abschiedsgruß zu bedeuten, hob sie ihrerseits, als würde sie nach Hilfe suchen, leicht den rechten Arm, so als hätte sie nichts lieber getan, als ihm zu folgen. Munuel war vollkommen verwirrt. Dann schloss er die Tür und war im Gang.
    Er ging ein paar Schritte, blieb stehen, lehnte sich schnaufend gegen die Wand und fragte sich, ob er dies alles nur geträumt hatte. Was sollte er tun? Konnte er darauf vertrauen, dass das Mädchen keinen Alarm schlagen würde? Konnte er nun in die Bibliothek eindringen, dort das Buch stehlen, das er so dringend benötigte, und dann die Festung verlassen? Er schwankte zwischen dem Verlangen, diesem Ort so schnell wie möglich zu entfliehen, und dem Wunsch, zurück zu diesem Mädchen zu gehen, um sie mitzunehmen - was auch immer das mit sich bringen mochte.
    Aber das war nicht möglich. Er musste sich auf sein Vorhaben konzentrieren. Es ging um wesentlich wichtigere Dinge als um irgendeine junge Frau, auch wenn sie noch so schön war. Er stieß sich von der Wand ab und lief leise den Gang hinab. Noch einmal blickte er über die Schulter, aber

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