Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
Zitternd stand er an der Wand, von dem fremden Magier abgewandt, und löste im Kopf Rechenaufgaben, um nicht zufällig einen Impuls seines magischen Potenzials an das Trivocum weiterzugeben.
Er hörte, wie jemand verschlafen etwas murmelte, dann knarrte das Bett und es herrschte wieder Ruhe. Noch für eine atemlose Minute blieb er stehen. Es war ein Wunder, dass der Magier bei seinem Levitationszauber nicht aufgewacht war. Entweder war er betrunken, oder er schlief so tief, dass man ihn mit Tritten aufwecken musste.
Dann trat Munuel vorsichtig aus dem Schatten hervor.
Die Frau lag inzwischen auf dem Rücken, und ihre Brüste waren unbedeckt. Es war ein recht junges Mädchen, vielleicht zwanzig oder zweiundzwanzig Jahre alt, und es war wirklich eine Schönheit. Aber daran vermochte Munuel sich inzwischen nicht mehr zu erfreuen. Er verfluchte sich, dass er so viel Furcht verspürte, aber die Gegenwart dieses fremden Magiers brachte ihn beinahe aus der Fassung. Er wagte nicht, jetzt das Zimmer zu verlassen, eine Bodendiele mochte knarren oder die Tür in den Angeln quietschen. Wenn dieser Magier hier erwachte und ihn entdeckte, dann würde es zu einer Katastrophe kommen.
Dann sah Munuel erschrocken, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Er hatte das Fenster weit offen gelassen, und das Mädchen würde bald zu frösteln beginnen und aufstehen, um das Fenster zu schließen. Wenn der fremde Magier erst einmal wach war, dann würde er Munuels Gegenwart im Zimmer bemerken, auch wenn Munuel Millionenbeträge im Kopf quadrierte.
Er beobachtete mit klopfendem Herzen die sich hebende und senkende Brust des Mädchens, und die Gegensätze dieser grotesken Situation belasteten ihn beinahe noch mehr. In seinem Alter bekam man nicht mehr oft solche Schönheit zu Gesicht, aber eine Armeslänge von ihr entfernt lauerte eine grässliche Gefahr. Munuel atmete schwer. Er beobachtete unverwandt die junge Frau und konnte beinahe zusehen, wie ihr Schlaf langsam unruhiger wurde. Ihre Brustwarzen, das konnte er deutlich erkennen, waren hart geworden. Die Kühle im Zimmer. Er musste handeln. Langsam schlich er rückwärts, die Augen auf das Mädchen fixiert. Sie bewegte sich und drehte sich ein wenig, und eine Sekunde später spürte er die Tür in seinem Rücken. Er tastete mit der Hand nach dem Türgriff, fand ihn und drückte ihn mit aller Behutsamkeit herunter.
Dann plötzlich wälzte sich das Mädchen herum, und ihre Augenlider flatterten. Munuels Herz machte einen Satz.
Die Tür hinter ihm war noch gänzlich geschlossen; sie zu öffnen und das Zimmer zu verlassen wäre ein großes Wagnis, denn er stand nicht mehr im Schatten. Wenn sie erwachte und in seine Richtung sah, würde sie ihn sehen. Er wagte nicht, sich zu bewegen.
Dann plötzlich stieß sie einen Laut aus, schlug die Augen auf und fuhr sich mit dem Unterarm über die Stirn. Sie stöhnte leise, wandte den Kopf im Kissen und sah nach dem Fenster. Munuel spürte, wie ihm der Magen in die Knie sank. Er hatte keine Angst vor dem Mädchen, aber wenn sie ihn sah, würde sie zu schreien beginnen -und dann würde der Magier erwachen.
Sie richtete sich mit einer Anmut auf, die Munuels Herz kurz aussetzen ließ. Dann schlug sie die Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Als sie aufrecht vor dem Bett stand, vollkommen nackt und so schön wie ein junger Morgen im Frühling, erblickte sie ihn.
22 ♦ Nächtliche Begegnungen
T ief in der Nacht erwachte Leandra aus einem interessanten, aber wirren Traum. Doch schon Sekunden nach dem Erwachen hatte sie kaum mehr eine Erinnerung daran, was sie gerade geträumt hatte. Sie war mit einemmal seltsam wach und versuchte enttäuscht, noch einen Gedanken an das aufzuschnappen, was ihr gerade durch den Kopf gegangen war. Es hatte irgendetwas mit Feuer zu tun gehabt, einem Feuer, das aber nicht böse und zerstörend gewesen war, und mit einem Mann, aber sie hatte kein Bild von ihm mehr vor Augen ... Nein, da war einfach nichts mehr zu erhaschen. Seufzend richtete sie sich auf.
Dann fiel ihr Blick auf ein Blatt Papier, das vor dem Bett auf dem Fußboden lag. Eilig schlug sie die Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und bückte sich, um das Papier aufzuheben. Es war eine Nachricht von Munuel, in der Gildenschrift verfasst.
Mist!
An der Beherrschung der Gildenschrift hatte sie sich während ihrer Novizenzeit erfolgreich vorbeigemogelt. Sie konnte ein wenig davon lesen, aber bei weitem nicht alles. Die Gildenschrift
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