Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
»liegt etwa dreißig Meilen westlich von hier. Die Schmiede kenne ich auch - jedenfalls wenn sie jene ist, an die ich mich erinnere. Ein kleiner, alter Steinturm, in dem sich irgendwann mal ein Schmied niedergelassen hat. Wenn ich mich beeile, kann ich vielleicht bis heute Nacht zurück sein. Mein Pferd hat sich zwei Tage lang keine Elle bewegt. Es wird froh sein, mal wieder richtig rennen zu dürfen.«
»Willst du das wirklich tun? Ich hoffe, du findest Munuel auch. Bist du sicher, dass du die Botschaft richtig verstanden hast?«
Er nickte. »Die Gildenschrift ist alt, weißt du? Damals war die Ehrfurcht vor der Magie so groß, dass allein eine Handvoll solcher Zeichen genügten, um die Leute vor Angst erstarren zu lassen. Niemand hätte gewagt, sie auch noch entziffern zu wollen. Vielleicht ist deswegen niemandem aufgefallen, dass sie gar nicht so schwer zu verstehen ist, jedenfalls nicht in den niedrigen Iterationsstufen. Man müsste sie mal neu verfassen - überarbeiten, verstehst du?«
Leandra schüttelte ungläubig den Kopf, und Victor winkte gleich ab. »Lass uns ein andermal darüber reden, ja?
Glaubst du, ich kann dich einen ganzen Tag lang hier alleine lassen?«
Leandra hob den Blick und musterte das Innere der Scheune. Sie lag zwar nicht weitab von einer Straße, dafür aber in der Nähe von Tulanbaar und der Festung. Wer ein Lager suchte, würde es bequemer haben, noch bis in die Stadt oder zur Festung zu reiten. Sie sah Victor wieder an und nickte. »Ja, das schaffe ich schon. Wenn du Munuel nicht triffst, musst du ihn suchen! Ich komme schon allein zurecht.«
Victor nickte und erhob sich. Er packte ein kleines Bündel zusammen, offenbar ein paar Habseligkeiten, die er sich inzwischen hatte zulegen können, und winkte ihr zum Abschied. Er versprach wiederzukehren, so schnell er konnte. Mit Munuel.
Als Victor weg war, versuchte sie sich zu orientieren.
Sie trug nur noch ihr Kettenhemd, und ihre Beine und ihr Bauch waren von zwei Wolldecken bedeckt. Sie konnte nicht sagen, ob Victor ihr die Lederrüstung ausgezogen hatte oder ob sie ihr die beiden Kerle vom Leib gezerrt hatten. Dann erblickte sie ihre Kleidung gleich neben sich, sie war säuberlich zusammengelegt. Es sah nach Victor aus.
Er schien auch sonst Ordnung geschaffen zu haben. Die Spuren der beiden Soldaten waren völlig getilgt. Bushka stand zwischen der Scheunenwand und einem hohen Turm aus Heuballen und mampfte friedlich. Sie war ordentlich abgesattelt und unweit von ihr lag der Sattel und ...
Ein Wort hallte in ihrem Geist wider, und mit einem plötzlichen, schmerzhaften Blitz in ihrem Gehirn richtete sie sich auf.
»Die Jambala!«, keuchte sie.
Bushka sah sie fragend an.
Mühevoll rappelte sie sich auf und schleppte sich in die Mitte der Scheune. Ihr Kopf dröhnte wie eine riesige Bronzeglocke, die jemand mit einem Klöppel angeschlagen hatte. Dann aber sah sie, dass unter ihrem Sattel, halb im Heu vergraben, das weiße Leintuchbündel hervorragte. Sie stöhnte auf, stolperte hinüber und sank vor dem Sattel auf die Knie. Mit pochendem Herzen tastete sie das Bündel ab. Ja, da war etwas ....
»Bei den Kräften ...«, stöhnte sie und zerrte das Bündel hervor.
Sie entrollte es - und da lag die Jambala vor ihr. Völlig unberührt und in ihrer Scheide steckend. Leandra ließ sich erleichtert zu Boden fallen. Was für ein Glück! Das Schwert war noch da.
Sie zog die Jambala aus der Scheide.
Schon im gleichen Moment spürte sie eine Kraft in ihre Glieder strömen. Sie stöhnte auf und hatte schon begriffen, dass die Jambala noch allerlei Überraschungen bereithalten mochte. Sie ließ sich zurücksinken und nahm Kräfte in sich auf.
Nach einiger Zeit, als es ihr schon spürbar besser ging und sie den Griff des magischen Schwertes in der Hand spürte, kam ihr in den Sinn, dass sie sich noch nie die Zeit genommen hatte, die Jambala einmal genau zu betrachten.
Sie hob das Schwert und untersuchte es.
Es war etwas mehr als zwei Ellen lang, und das Metall war von goldener Färbung. Der Griff war von einem Faustschutz überspannt, der fast so groß wie der eines Säbels war, obwohl die Jambala von anderer Machart war.
Die Klinge besaß einen unerhört kunstvollen Linienschwung, verbreiterte sich vorn ein wenig und endete in einer ziemlich scharfen Spitze. Nur das vordere Drittel der Rückseite des Blattes war ebenfalls angeschliffen, die hinteren zwei Drittel besaßen keine Schneide. Leandra wusste, dass man solche Schwerter im
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