Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
gehört, du blöder Muskelhaufen?«, schrie Victor. »Es hat geklopft!«
Zarkos grunzte etwas. Er öffnete eine Schublade, nahm einen Dolch heraus und ging zum Fenster. Er starrte hinaus, als suche er etwas.
»An der Tür, du Blödian, nicht am Fenster!«
Zarkos erwiderte auch diesmal nichts und ging dann zur Tür, um sie zu öffnen. Draußen standen Munuel und Leandra.
26 ♦ Stygische Kräfte
V ictor atmete erleichtert auf, als Munuel und Leandra eintraten. Zarkos war erwartungsvoll einen Schritt zurückgetreten, die Hand mit dem Dolch hing herab. Mit kalten Blicken fasste er Leandra ins Auge - die er noch nie zuvor gesehen hatte.
Auch Victor sah Leandra an. Abgesehen von der Überraschung, dass ihr von ihrem gestrigen üblen Zustand kaum noch etwas anzumerken war, kam sie ihm insgesamt sehr verändert vor. Sie trug ein Schwert an der Seite - jenes, das er gefunden, und später unter ihrem Sattel im Heu verstaut hatte. Sie trug es, als würde sie es seit Jahren tun. Sie wirkte frisch und ausgeruht, ihr Blick war scharf und klar, und sie sah nach seinem Geschmack ziemlich gut aus.
Er hatte ihr in der Scheune die Kleider ausgezogen, damit sie bequem schlafen konnte; das erstaunliche Kettenhemd, von dem er ziemlich überrascht war, hatte er natürlich nicht angerührt. Sie hatte eine ausnehmend gute Figur. Genauer gesagt gehörte sie wohl zu den hübschesten Mädchen, die er je gesehen hatte.
Er musterte sie angstvoll und sandte ein Stoßgebet zu den Kräften. Es würde ihn mehr schmerzen, als wenn er sterben müsste, wenn sie sich nun gegen ihn richtete.
Leandra schenkte Zarkos ein kurzes Lächeln der Begrüßung und ließ sich von Munuel vorstellen. Victor hingegen maß sie nur mit einem kalten Blick. Er fühlte einen furchtbaren Kloß in der Kehle.
»Munuel!«, rief Victor. »Was ist? Hab ich nicht die Wahrheit gesagt? Du musst Leandra doch so vorgefunden haben, wie ich sagte!«
Die Antwort war ein weiterer kalter Blick, diesmal von Munuel und Leandra zugleich. Victor war völlig verwirrt. Munuel nahm Zarkos beiseite und tuschelte etwas mit ihm. Der riesige Schmied nickte.
Leandra baute sich mit leicht gespreizten Beinen vor Victor auf. Sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals.
Beim Felsenhimmel - sie sah so gut aus, dieses Mädchen, aber was sie da tat, das versetzte ihn langsam in Panik.
»Leandra ...« stammelte er verzweifelt.
Langsam zog sie das Schwert aus der Scheide.
Victors Herzschlag setzte aus. Das Schwert leuchtete hellgolden im Licht des Kaminfeuers, und Victor wusste, dass sie ihm damit innerhalb einer Sekunde den Kopf abgetrennt haben würde.
»Leandra!«, keuchte er. »Was ist los? Hast du vergessen, was ich für dich getan habe?«
Hilfesuchend blickte er zu Munuel, der neben Zarkos stand und zusammen mit dem Schmied herüberblickte. In seinen Augen stand eisige Kälte geschrieben. Victor verstand die Welt nicht mehr.
»Du bist nicht Victor!«, sagte Leandra und hob das Schwert leicht. »Victor ist tot. Du bist ein Dämon, der seinen Platz eingenommen hat, um uns zu täuschen!«
»Ich?«, rief Victor fassungslos und hielt es zuerst für einen schlechten Witz, was sie da sagte. »Ein Dämon? Das ... das ist wirklich zu viel der Ehre!«
Die Belustigung, die er beinahe empfunden hatte, verwandelte sich in Panik. Leandra erwiderte nichts, das Schwert jedoch hob sich Handbreit um Handbreit.
»Warte ...!«, schrie Victor verzweifelt und zerrte an seinen Fesseln. »Wenn ich ein Dämon wäre, dann ... dann säße ich doch nicht hier, oder? Gefesselt und euch ausgeliefert! Da könnte ich doch ausbrechen ... oder nicht?«
»Du hättest es gekonnt«, sagte Munuel aus dem Hintergrund. »Aber dann wäre dein Plan fehlgeschlagen. Und jetzt kannst du es nicht mehr. Wegen der Jambala!«
Victor stockte der Atem. Die Jambala! Das legendäre Schwert aus der Zeit der Bruderschaftskriege! Das erste der drei Stygischen Artefakte! Victor starrte das Schwert in Leandras Händen fasziniert an. Die Jambala existierte also noch. Und er hatte ... Doch wie konnte das sein? Leandra war ... ihre Trägerin?
»Aber ...«, rief er, »ihr macht einen schrecklichen Fehler! Ich bin kein Dämon! Bei den Kräften! Ich bin es wirklich nicht!«
Leandra hatte die Jambala nun hoch über den Kopf erhoben. »Es ist zu spät«, sagte sie kalt. »Du hast Munuel unterschätzt, Dämon! Er kann den stygischen Abschaum förmlich riechen! Er hat es schon gestern Abend bemerkt. Und ich spüre es nun auch. Hier im Raum ist
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