Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
es ganz deutlich! Und da sonst niemand infrage kommt...!«
Irgendetwas in diesem Satz sagte Victor, dass er nicht sterben würde. Was es war, begriff er erst später. Er bekam nur noch mit, dass Munuel einschränkend und fragend das Wort außer aussprach, und sah dann das Schwert auf sich herabfahren.
Aber bevor die Klinge seine schutzlose Stirn traf, glitt sie pfeifend zur Seite weg, und im nächsten Augenblick war auch Leandra nicht mehr da. Victor fuhr herum und sah nur noch, wie das helle Gold der Klinge fauchend in den Körper des Schmieds eindrang und dass dieser ein rasselndes, überraschtes Grunzen von sich gab, ein Geräusch, das eher zu einem großen wilden Tier gepasst hätte als zu einem Menschen.
Anstatt eines Schwalls von Blut schössen violette Lichtstrahlen aus der Wunde, und in Sekundenschnelle breitete sich beißender Qualm im Raum aus. Munuel war weit zurückgetreten und überließ Leandra den Kampfplatz.
Der Schmied quoll plötzlich auseinander, und eine Unzahl hässlicher roter Fäden und Haare drangen aus seinem Inneren. Der gewaltige Riss, den das Schwert geschlagen hatte, klaffte auf, und das grausige, violette Licht drang heraus. Leandra hatte indes das Schwert schon wieder herausgezogen, es in einem Bogen unter der Achsel hinweg und über den Kopf geschwungen und ließ es nun ein weiteres Mal niedersausen - wiederum nicht auf ihn, Victor, sondern auf das, was eigentlich ein Schmied namens Zarkos sein sollte. Endlich dämmerte es Victor, dass alles eine Finte gewesen sein musste - seit gestern Abend bis zu diesem Augenblick. Zarkos war der Dämon, und Munuel hatte es gewusst. Oder zumindest geahnt.
Nachdem er Leandra gefunden hatte, war alles weitere nur noch die Vollendung des Plans gewesen.
Wieder fuhr die Jambala fauchend nieder, und der Schmied, der nur noch ein Zerrbild eines Menschen war, brüllte unirdisch auf und versuchte, Leandra mit furchtbaren Pranken zu erwischen, in die sich seine Hände verwandelt hatten. Victor japste und versuchte auf seinem Stuhl aus der Gefahrenzone zu ruckein. Munuel umrundete hustend und mit schützend erhobenem Arm die Kampfszene, stellte sich schützend schräg vor ihn und wachte über den Kampf, offenbar bereit, jederzeit einzugreifen.
Doch Leandra schien keine Hilfe zu benötigen. Sie schnaufte, während sie ein ums andere Mal auf das um sich schlagende Monstrum einhieb und wieder davon-sprang, um sich aus seiner Reichweite zu entfernen. Aber sie schien den Kampf vollkommen unter Kontrolle zu haben. Infernalisches Gebrüll dröhnte durch die Schmiede, und der Gestank nahm langsam erstickende Ausmaße an. Victor war niemals einem Dämon begegnet, er wusste nur, dass diese Ausgeburten stygischer Energie eine ungeheure Macht besaßen. Doch das, was dort jetzt als vermeintlicher Zarkos stand, hatte keine Chance gegen Leandra und die Jambala.
Nun verstand Victor auch das seltsame Verhalten von Zarkos, der gar kein Mensch gewesen war. Leandra wirbelte um das grölende und zuckende Etwas herum, und immer wieder fuhr die Jambala nieder, um dem Dämon einen nächsten violett-blutenden Schnitt beizubringen. Victor beobachtete das Mädchen mit offenstehendem Mund. Sie wirkte trotz ihres angestrengten Schnaufens unerhört sicher, und er verspürte keinen Moment Furcht, dass ihr etwas zustoßen könnte. Während noch Leandra der widerlichen stygischen Kreatur den letzten Stoß versetzte, schnitt Munuel Victors Fesseln durch und befreite ihn von seinem Stuhl.
Victor erhob sich, und das Blut, das durch seine gepeinigten Adern schoss, tat ihm mehr weh als die Fesseln, die zuvor in sein Fleisch geschnitten hatten. In diesem Augenblick zog Leandra zum letzten Mal mit einer heftigen Bewegung ihre Klinge aus dem in sich zusammengesackten hässlichen Haufen, der einmal ein Dämon gewesen war, und trat dann keuchend zurück.
Einen Moment später verspürte Victor zum ersten und einzigen Mal richtige Angst während dieser Schlachtszene, denn anders konnte man es nicht nennen. Es war der Moment, als sich der vernichtete Dämon ins Stygium zurückzog. Das violette Licht strahlte in einem heftigen Aufblenden aus dem immateriellen Haufen, und Victor fühlte, wie sich plötzlich ein Tor zur anderen Seite auftat, ein schwarzes Loch, ein ungeheurer Abgrund, der alles verschlucken konnte, und wäre es selbst so groß wie der ganze Turm gewesen, in dem sich die Schmiede befand. Mit einem grollenden Geräusch, das wie aus den Abgründen der Hölle heraufdrang, verschluckte
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