Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
Junge. Also vergiss es, verstanden?«
Victor erschauerte innerlich, bemühte sich aber, es seinem Gegenüber zu verbergen.
»Also gut«, sagte er. »Reden wir über was anderes.« Harros Gesichtsausdruck entspannte sich wieder. Er winkte den Wirt herbei und bestellte sich ein Bier. »Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte er freundlich. »Bei den Weibern, nicht wahr? Wo stammt ihr her? So hübsche Mädels gibt's hier nur wenige.«
»Ich bin von überall her. Eine Art Wandersmann. Fahrender Sänger, könnte man sagen. Leandra ist aus dem Nordosten, glaube ich.«
»Sie ist eine Magierin, nicht wahr?« Victor, der gerade seinen Bierkrug angesetzt hatte, verschluckte sich fast. Er setzte ab, während ihn der andere anfeixte. »Wie kommst du denn darauf?«
»Na, es spricht sich manches herum, verstehst du? Das ist das reinste Hinterland hier droben bei Tharul. Da kennt jeder jeden, auch wenn man Meilen auseinander wohnt.«
Victor musterte den Mann. »Du scheinst dich für sie zu interessieren. Warum?«
Harro räusperte sich. »Hm. Wir haben hier was gegen Magier. Bei so einem hübschen Ding fällt's einem schwer, aber trotzdem. Sie sollte sich besser aus allem raushalten.«
Victor hörte ein Glöckchen läuten. »Sie ist nur eine Adeptin auf der Wanderschaft. Sie wird bestimmt niemandem etwas antun.«
Der Wirt kam und brachte Harros Bier. Der alte Kämpe trank einen tiefen Schluck. »Adeptin? Mit so einem Schwert?«
Victor stöhnte innerlich auf. Er hatte es geahnt, dass ihnen diese blöden Gerüchte noch Schwierigkeiten bereiten würden. Er musterte Harros Mine und versuchte zu ermessen, ob er irgendetwas vorhatte.
»Darf ich wissen, woher eure Abneigung gegen Magier kommt?«
»Darfst du, mein Junge«, sagte Harro nach einem weiteren Schluck. Er wischte sich mit dem Ärmel über den Bart. »Wir haben keine guten Erfahrungen gemacht. Es hat immer nur Verdruss gegeben, wenn Magie mit im Spiel war. Wir haben in den letzten zehn Jahren bestimmt mit vier oder fünf unsauberen Magiern kurzen Prozess gemacht. Es würde mir Leid tun um deine kleine Freundin.«
Victor nickte bedächtig. »Ich verspreche dir, auf sie aufzupassen. Einverstanden?«
Harro grunzte und nahm noch einen Schluck. Dann beugte er sich vor. »Was hat das mit diesem Schwert auf sich? Die Leute erzählen sich die übelsten Geschichten!«
»Das Schwert?« Victor wurde es ein wenig flau. Niemand durfte etwas von der wahren Natur der Jambala erfahren! »Nun ... es ist...«
»Was?«
Eine geschickte Ausrede tat not. Ein Gedanke formte sich in seinem Kopf, aber er brauchte noch Zeit, ihn zu Ende zu denken.
»Hm«, machte er nachdenklich. »Es ist so: Ich darf eigentlich nicht darüber reden. Kann ich dir vertrauen?«
»Ha!« Harro lachte auf und knallte seinen Krug auf den Tisch. »Du bist richtig witzig, weißt du das? Was ist das für eine blöde Frage? Willst du dich auf diese Art durchs Leben schlagen? Na, dann gute Nacht!«
Victor kniff die Augenlider zusammen. Vielleicht hatte er doch schon ein wenig zu viel getrunken. »Nun ja, es ist ein sehr wertvolles Schwert, verstehst du? Sehr alt, so eine Art Antiquität. Sie hat es geerbt.«
Harros Züge ließen keine große Zufriedenheit durchblicken. »Es ist ein magisches Schwert«, sagte er tonlos.
»Gib es doch zu!«
Victor versuchte, den völlig Überraschten zu spielen. »Ein magisches Schwert? Aber ... nein! Das wüsste ich!
Ganz sicher nicht!«
Harros Gesicht hatte sich versteinert. Er erhob sich. »Komm mit!«, sagte er mit einem Tonfall, der nahe an einen Befehl grenzte.
29 ♦ Streitmächte
S ie hatten die Pferde bestiegen und tief in der Nacht den Gasthof verlassen. Harro hatte sechs seiner Kumpane mitgenommen. Nun ritten sie in zügigem Tempo eine Straße entlang, die nach Süden führte. Niemand redete mit Victor; seit den letzten Worten, die er in der Gastwirtschaft mit Harro gewechselt hatte, blickten ihn nur versteinerte Gesichter an.
Sie ritten eine gute halbe Stunde lang südwärts - weiter, als Victor in dieser Nacht noch zu reiten bereit gewesen wäre, hätte man ihn vorher gefragt. Immerhin - die kühle Nachtluft brachte ihn wieder zu sich. Es war eine klare Nacht, und helles Sternenlicht fiel durch die Sonnenfenster in die Welt. Das Gelände wurde stark hügelig, und einzelne Felsen ragten aus den Wäldern auf, die sich links und rechts des Weges erstreckten. Die Landschaft erinnerte Victor an die Gegend um die Morneschlucht, wo er das letzte Jahr verbracht
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