Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
Äußersten.
Er klopfte leise an.
Natürlich schlief sie und meldete sich nicht gleich. Er versuchte die Tür zu öffnen, aber sie hatte von innen verriegelt. Victor klopfte lauter und rief ihren Namen. Endlich hörte er einen Laut. Sie öffnete verschlafen die Tür und spähte hinaus ins Licht des Ganges.
»Was ist denn?«, fragte sie und blinzelte nach all den Leuten, die sie durch den Türspalt erkennen konnte.
Sie trug nur ein wollenes Unterhemd, unter dem ihre nackten Beine hervorschauten. Sicher würde sie diese Sache nicht sonderlich erheitern.
»Leandra, ich ...«, begann Victor.
Harro wartete nicht mehr, sondern drückte die Tür auf. Leandra wich erschrocken zurück.
Wenige Sekunden später befanden sich neben Victor und Leandra noch sechs der Männer im Zimmer. Zwei Kerzenleuchter verbreiteten helles Licht. Leandra hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ließ sich gezwungenermaßen auf der Bettkante niedersinken. Victor stellte sich schräg vor sie, entschlossen, sie zu verteidigen, auch wenn seine Chancen mehr als gering waren. Leandra wirkte eingeschüchtert und zog sich ihr Wollhemd über die Oberschenkel hinab, so weit es ging.
»Was hat es mit diesen seltsamen Wagen auf sich?«, verlangte Harro zu wissen. Er stand breitbeinig im Raum, gab sich nicht direkt grob, aber sein Tonfall war eindeutig fordernd.
Leandra blickte fragend zu Victor. »Es gibt solche Wagenzüge auch hier in der Gegend«, raunte er ihr zu.
»Solche, von denen ich dir erzählt hatte, du weißt schon.«
Für einen Moment sah er einen Schreck in ihrem Blick, dann glätteten sich ihre Züge. Sie schien zu verstehen und nickte Harro dann angstvoll zu.
Victor war unschlüssig, ob sie wirklich so viel Angst vor den Männern hatte. So wie er sie kannte, wahrscheinlich nicht. Sie spielte geistesgegenwärtig das verschreckte Mädchen, und das war gut so. Als sie zuvor verschwunden war, hatte sie noch eine ganz andere Masche draufgehabt. Leandra schien eine Menge Talente zu besitzen.
»Wie ich schon sagte«, übernahm Victor das Wort, »ich habe einmal einen solchen Wagenzug gesehen.«
Harro maß ihn mit einem abweisenden Blick. »Ich habe sie gefragt!« Dann wandte er sich wieder an Leandra.
»Was ist nun, Mädchen? Dein Freund hier sagte, du wärst nur eine Adeptin. Aber was man sich über euch erzählt, lässt anderes vermuten. Was ist mit dem Schwert? Und wo ist der Alte, der bei euch war?«
Sie starrte mit furchtsamen Blicken zu Victor auf, dann wieder zu Harro. »Mein Meister wird mich windelweich hauen, wenn ich euch etwas verrate!«, sagte sie mit Schrecken im Gesicht. Sie verhielt sich wirklich geschickt.
Harro blickte sie kalt an. »Ist nicht mein Problem. Also raus damit!«
Plötzlich sah Victor, dass die Jambala keine Armeslänge von Harro entfernt an einem Nagel hing. Das Leintuch, in das sie gewöhnlich eingewickelt war, hing herab, und der goldene Griff des Schwertes blinkte im Licht der Kerzen.
Er wusste nicht, ob dies Leandra im Augenblick klar war. Wenn jemand das Schwert anfasste, dann würde es zu einer Katastrophe kommen. Leandra schlug die Augen nieder. »Mein ... Meister ist im Auftrag der Gilde unterwegs, wegen der ... Totenzüge.«
Harro zeigte sich nur wenig überrascht. »So was dachte ich mir schon.« Er wandte sich um und nahm die Jambala vom Nagel herunter. Er hielt das Schwert, das noch in der Scheide steckte, ihr entgegen. »Und das hier? Ist das eine magische Waffe?«
Victor dachte, er würde gleich in Panik ausbrechen. Leandra starrte entsetzt zu Harro. »Nicht!«, sagte sie und hob abwehrend die Hände. »Es ist das Schwert meines Meisters ...«
In diesem Moment flog die Tür auf.
Alle fuhren erschrocken herum und erkannten den großen Mann, der draußen stand.
Es war Jacko.
Mit zwei Schritten war er im Raum, fasste Harro mit eisernem Griff beim Handgelenk und drehte es herum.
Harro heulte auf.
»Was ist hier los?«, fragte er mit schneidender Stimme.
Harro stieß mit verzerrtem Gesicht einen Schmerzens-laut aus. »Verdammt, lass mich los!«
»Ich höre noch immer nichts«, zischte Jacko.
Leandra versuchte, die Situation zu nutzen. Sie stand rasch auf und machte einen Schritt auf Jacko zu. »Nichts, lass ihn los. Er wollte nur ein paar Dinge von uns wissen.«
»Dinge? Worüber?« Noch immer hielt er Harros Handgelenk in einem schraubstockartigen Griff.
»Über diese ... Wagenzüge«, presste Harro zwischen den Zähnen hervor. »Und über das hier!« Mit diesen Worten
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