Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
und die Zeit verrann.
Für erfreulich lange Zeit blieb sie tatsächlich unbehelligt. Dann aber hörte sie tappende Geräusche - und sie kamen näher. Beklommen richtete sie sich auf, umfasste den Griff der Jambala fester. Es war vollkommen finster um sie herum, sie wagte kein Licht zu machen. Doch dann sah sie, dass die anderen eines hatten.
Es waren viele, sehr viele sogar, und sie waren so dunkel, dass man die meisten von ihnen trotz des violettblauen Lichtes, das sie mit sich trugen, kaum erkennen konnte. Sie tappten wie Geister vorüber, und keiner schien sie in ihrer Nische zu sehen. Leandra hielt vollkommen still und versuchte, nicht einmal zu atmen. Doch das funktionierte natürlich nicht, und als sie wieder Luft holen musste, fuhren die Köpfe mehrerer Wesen herum und erblickten sie. Da kam plötzlich Leben in die Jambala, und sie fuhr hoch und hatte schon eines der Dunkelwesen durchbohrt. Danach ging alles sehr schnell.
Die Jambala reflektierte wieder helles Licht, das es sonst nirgends zu geben schien als in ihr selbst. Die schimmernde Klinge fuhr in rasendem Rhythmus durch die verrotteten, staubigen Leiber der Untoten, die unter ihr zerbarsten wie trockenes Laub. Mehr gezwungen als von eigenem Willen getrieben, gab sich Leandra der Energie des Schwertes hin. Sie wusste, dass sie nur diese eine Chance hatte.
Dann tauchten die ersten Bleichen auf - und sie waren bewaffnet. Sie trugen Netze, Stöcke und Knüppel, und Leandra wurde sofort klar, dass es ihnen nicht darum ging, sie zu töten; nein, sie wollten sie einfangen, und das deutete auf ein schlimmeres Schicksal hin, als jetzt und hier einfach zu sterben.
Plötzliche, ohnmächtige Wut kam in ihr auf. Nein! Sie würde sich diesen Monstrositäten nicht ergeben - niemals! Von neuer Kraft beseelt, hieb sie mit der Jambala auf die dunklen Kreaturen und die Bleichen ein, und das Schwert führte einen so tödlichen Tanz auf, dass innerhalb von Minuten die Gänge leergefegt waren und die Überreste ihrer einstigen Gegner zu Staub zerrieselten.
Sie keuchte und stand mit herabhängendem Schwert da, konnte selbst kaum glauben, dass sie all diese Bestien innerhalb von Minuten allein niedergemacht hatte. Aber sie spürte wieder Energie in sich. Es war nicht viel, aber genug, jetzt nicht aufgeben zu wollen. Dann begann sie zu laufen. Sie erzeugte sich ein kleines Licht, das ihr vorauseilte. Sie rannte die Gänge entlang und schrie die Namen ihrer Gefährten. Tausendfache Echos hallten ihr entgegen; manchmal kam ihr eine der dunklen Kreaturen in den Weg, und sie hieb sie einfach beiseite. Sie schrie und schrie verzweifelt und wollte nicht hinnehmen, dass alle anderen tot sein sollten.
Dann plötzlich erhielt sie Antwort.
Sie blieb abrupt stehen und lauschte angestrengt in die Dunkelheit.
Von fern hörte sie jemanden ihren Namen rufen. Ihr Herz machte einen Satz, als sie glaubte, Victors Stimme zu erkennen - aber dann war sie sich nicht mehr sicher.
»Victor!«, schrie sie in die Richtung, aus der sie die Stimme vermutete. »Victor! Bist du es?«
Sie vernahm ein schwaches, verhalltes Ja und sauste los. Unterwegs rief sie verzweifelt seinen Namen. Sie erreichte kurz darauf Teile der Katakomben, in denen vereinzelt brennende Fackeln an den Wänden hingen. Als sie feststellte, dass Victors Stimme immer lauter wurde, liefen ihr Tränen die Wangen herab, und sie wusste, dass sie gleich in seinen Armen liegen und neue Kraft schöpfen konnte.
Dann war sie ganz nah, entdeckte ein kleines, vergittertes Fenster und stemmte sich hinauf.
Ja! Dort war tatsächlich Victor!
Sie stieß einen Freudenschrei aus, blickte sich um und sah links ein paar Treppenstufen, die ein Stück hinabführten - dort unten lag eine dicke hölzerne Türe mit einem schweren Eisenschloss. Sie rannte die Stufen hinab und hackte sogleich mit der Jambala auf das Schloss und die Tür ein.
Aber es nützte nichts. Die Jambala blieb kalt und kraftlos - es war, als hätte sie mit einem gewöhnlichen Schwert auf die Tür eingeschlagen. Auf diesem Weg würde sie eine Ewigkeit brauchen, um die Tür zu durchbrechen.
»Du verdammtes Miststück!«, schrie sie. »Du wirst mich doch jetzt nicht im Stich lassen!«
Ein schmerzender Energieschub fuhr durch ihren Arm. Sie heulte auf und bekam nur noch mehr Wut. Dieses eitle, arrogante Miststück erdreistete sich ausgerechnet jetzt, ihr ihre wundersamen Kräfte vorzuenthalten ...
Dann spürte Leandra plötzlich, wie das Schwert aufflammte.
Ohne zu zögern
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