Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
und der Täuschung der Bruderschaft aufgesessen war. Es war ein ganz anderes Gesicht - aber dann sah er, dass es engelhaft schön war, ein trauriges Gesicht mit großen Augen, doch da verblasste es bereits wieder. Der Traum zerfiel in der Dunkelheit seiner Umgebung, und er sank immer tiefer in das Vergessen des Schlafes, sodass er nichts mehr wahrnahm als gelegentlich noch das Stechen des Strohs.
42 ♦ Sardin
S ie dachte, dass sie im nächsten Leben ein Gänseblümchen werden wollte oder einfach nur ein Stein, nichts als ein dummer Stein. Das, was hier geschah, war einfach zu viel für einen Menschen -es war mehr, als sie ertragen konnte.
Nacheinander waren ihre Gefährten verschwunden, zuerst Jacko, dann Munuel und Hennor, danach Victor und jetzt Tharlas. Irgendeine Kraft hatte den alten Magier, der nur noch eine Hand besaß, nach oben weggehoben wie eine mörderische Fußangel, die ein Tier durch die Federspannung eines Astes in die Höhe reißt. Tharlas hatte einen überraschten Schrei ausgestoßen, danach hatte sie nichts mehr von ihm vernommen. Sie hatte verzweifelt seinen Namen geschrien, aber keine Antwort mehr erhalten. Voller Entsetzen war sie davongerannt - immer tiefer in die unbekannten Gänge hinein - nur fort von hier, irgendwohin, wo Licht war. Aber sie hatte natürlich keinen Ausgang erreicht und war stundenlang weitergeirrt, während ihre Verzweiflung immer größer geworden war. Sie hatte eine Halle erreicht, in der still ein unterirdischer See lag - auf der anderen Seite sah sie einen Durchgang, hinter dem eine Treppe in die Höhe führte. Licht drang von oben herab. Sie war nicht sicher, ob es vielleicht Tageslicht war, und nach einer Weile und nachdem sie das dunkle Wasser mit ihren magischen Sinnen erforscht hatte, entschloss sie sich, auf die andere Seite zu gelangen. Aber kaum war sie im Wasser, sog sich ihre Lederrüstung so voll und wurde so schwer, dass sie beinahe ertrunken wäre. Mit Mühe rettete sie sich ans Ufer.
Sie konnte sich nicht entschließen, wieder umzukehren - und das Licht dort drüben in dem Treppenaufgang schien wie eine kleine Verheißung. Schweren Herzens trennte sie sich von ihrem Lederzeug und schwamm, nur noch ihr Kettenhemd tragend, hinüber.
An dem Durchgang angelangt, stieg sie vorsichtig die Stufen empor und erreichte einen Gang, der geradewegs in die Ferne führte. Das Licht stammte leider nur von Fackeln, die an der Wand befestigt waren. Nach rechts und links führten Durchgänge in irgendwelche Räume, und sie glaubte Stimmen zu hören. Dann plötzlich trat ein schwarz bekleideter Mönch in den Gang, erblickte sie und schlug Alarm. Leandra rannte, ohne weiter nachzudenken, nach rechts in einen kurzen Gang, folgte einigen Biegungen und erreichte wieder die labyrinthartigen Verzweigungen und Tunnel der Katakomben. Sie hörte ihre Verfolger rufen und voranstürmen und rannte, so schnell und so weit sie nur konnte. Irgendwann hörte sie niemanden mehr hinter sich und ließ sich mit pochendem Herzen in irgendeine Nische sinken, um sich auszuruhen und neue Kräfte zu sammeln. Lange Zeit kauerte sie angsterfüllt in der Dunkelheit und wartete darauf, dass man sie fand, sie angriff und dann tötete oder irgendwohin brachte. Sie hatte keine Kraft mehr.
Aber da kam nichts.
Sie wusste, dass es jetzt nur noch zwei Wege für sie gab. Sie konnte Mensch bleiben und zitternd in der Enge hocken und darauf warten, bis sie erwischt wurde. Oder sie konnte ihre Seele der Jambala ausliefern und wie ein wütender Derwisch durch diese Katakomben fegen und alles niedermachen, was sich ihr in den Weg stellte. Es war nur die Frage, ob sie Letzteres bei gesundem Verstand überlebte. Victor, ja Victor - wenn sie ihn am Schluss wieder fand und abermals seine geheimnisvolle Kraftquelle anzapfen konnte, dann würde sie vielleicht noch Mensch bleiben können. Oder Hellami. Das waren zwei, die ihr das wiedergeben konnten, was die verfluchte Jambala ihr nahm, aus welchen Gründen auch immer. Aber Victor und Hellami - sie waren beide unerreichbar. Victor mochte längst tot sein, und allein diese Befürchtung nahm ihr fast die Kraft zum Weiteratmen. Sie wusste jetzt schon nicht mehr, was sie tun sollte, woher sie die Kraft nehmen sollte, aufzustehen und irgendwie weiterzumachen.
Sie schloss die Augen, ließ sich zurücksinken und nahm sich vor, für zehn Minuten hier bewegungslos zu verharren und nichts zu tun, als zu atmen, damit sie wieder die Kontrolle über sich gewann.
So saß sie da
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