Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
knirschte es unter ihm, und er tastete den Boden ab - dort lag trocknes Stroh. Also ein Gefängnis.
Er erreichte die Wände und tastete weiter, aber sie waren tot und kalt und nur aus Stein. Dann endlich fand er eine Tür - sie lag oberhalb zweier Steinstufen. Er pochte dagegen, aber das verursachte nicht einmal ein besonders lautes Geräusch. Die Tür war aus Holz - mindestens eine Hand breit dick. Es schien nur diesen einen Eingang zu geben. Das einzige weitere Merkmal war das vergitterte Fenster, das aber so weit oben lag, dass er, wenn er sprang, mit den Fingerspitzen nicht einmal in seine Nähe gelangen würde.
Er ließ sich auf dem Stroh nieder und dachte nach. In Panik durfte er jetzt nicht verfallen. Irgendeinen Weg musste es doch hier heraus geben! Vielleicht unter Wasser?
Er wollte eben schon in das Wasserbecken springen, dann dachte er, dass er besser gleich damit begann, seine Kleidung zu trocknen - für den Fall, dass er dort unten keinen Ausgang fand. Zweifellos würde man ihn irgendwann holen, und dann wäre trockene Kleidung eher von Vorteil. Er zog sie aus, breitete sie auf dem Boden aus und ließ sich dann in das Becken hinab. Besonders wohl war ihm nicht, in dem schwarzen, kalten Wasser umherzuschwimmen, aber er musste irgendetwas tun. Zuerst schwamm er an der Wand entlang und fand heraus, dass das Becken annähernd quadratisch war, mit etwa zehn Schritt Seitenlänge. Es gab nur eine Öffnung, und die führte in den Raum hinein. Die anderen Wände strebten senkrecht hinauf in die Dunkelheit.
Er holte Luft und tauchte unter.
Er tauchte so lange, bis ihm die Ohren schmerzten, aber er erreichte nicht den Grund. Er probierte es noch ein paar Mal, aber ihm war kein Erfolg beschieden. Wenn es einen Ausgang gab, der noch weiter unten lag, dann würde er nicht genug Luft haben, ihn auch nur zwei Schritt entlang tauchen zu können. Nach einer Weile gab er auf. Irgendwo da unten musste noch sein Schwert liegen, aber es war für ihn verloren.
Er kletterte wieder aus dem Becken, streifte sich das Wasser von der Haut und wollte wieder in seine nassen Kleider schlüpfen. Aber er entschied sich, sie ein wenig trockener werden zu lassen. Die Temperatur im Raum war einigermaßen erträglich, und im Moment überkam ihn das Bedürfnis zu schlafen. Er war müde und erschöpft, und wenn ihn jemals irgendwer hier heraus holen würde, dann tat er sich keinen Gefallen, wenn er jetzt stundenlang in nassen Kleidern und frierend hier herumsaß.
Er schob das Stroh in den schwachen Lichtkegel des Fensterchens, legte sich hinein und breitete noch ein wenig Stroh über sich. Es piekste und kratzte, aber im Augenblick konnte er es sich nicht aussuchen.
Sehr bald schon war er mit seinen Gedanken bei Leandra angelangt.
Er wagte nicht daran zu denken, dass ihr etwas passiert war. Zusammen mit Tharlas hatte sie vielleicht eine Chance. Die beiden waren sehr stark. Vielleicht würde sie ihn ja befreien, ihm wieder einmal das Leben retten.
Er dachte nach - nein, eigentlich war er jetzt wieder an der Reihe. Schließlich schlief er ein.
Er träumte unruhig, und viele verworrene Bilder trieben durch seinen Kopf. Er sah wieder das Feuer am Gasthaus an der Morneschlucht, und diesmal war er es, der unter den Hieben der Dunkelwesen starb. Gleich darauf sah er sich in der Todeszelle der Zwingfeste, und die Henker holten ihn zum Richtblock. Als ihn das Beil des Scharfrichters traf, war er plötzlich ein Mann, dem eine Heugabel in den Rücken gerammt wurde, und kurz darauf metzelten ihn furchtbare Dunkelwesen in einem Wald nieder. Er taumelte von einer Schreckensszene in die andere. Doch zunehmend wurde ein Gesicht im Hintergrund wahrnehmbar, ein Gesicht, das ihm Trost und Wärme spendete, und Worte, die ihn immer wieder aufrichteten. Es war das Gesicht von Leandra, sie lächelte, und er wusste, dass es auf der Welt kein schöneres Lächeln geben konnte als ihres. Dann sah er Blätter über sich und Mondlicht, das durch ein Sonnenfenster drang und zu ihm herabfiel. Er konnte ihre weichen Brüste spüren und ihre warmen Schenkel, und noch einmal durchlebte er die unbändige Lust der Nacht unter dem Baum in Bor Akramoria. Er wühlte sein Gesicht in ihre Haare und schwor ihr tausendmal, dass er sie liebte, mehr liebte, als er jemals irgendetwas auf dieser Welt geliebt hatte. Dann hob sie den Kopf, und Victor sah plötzlich, dass sich ihr Gesicht verändert hatte. Er wollte aufschreien, weil ihm sein Verstand sagte, dass er wieder dem Lug
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