Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
verschränkten Armen auf einem Stuhl sitzen, der sie kalt fixierte. Er sagte nichts. Er saß vor der Tür, durch die sie das Haus betreten hatte.
Leandra schlich die Treppe hinab und suchte nach dem Korridor, den Hellami ihr beschrieben hatte. Sie konnte von der Treppe in die Kneipe blicken, die aus einem einzigen hohen Raum bestand. Ein paar späte Gäste waren noch da, ein dicker Schankwirt putzte hinter dem Tresen Gläser, und irgendein Mädchen kicherte. Das Licht war sehr gedämpft. Unten saß ebenfalls ein Kerl auf einem Stuhl an einer Säule, ein anderer war an der Ausgangstür postiert. Den Kerl an der Säule erkannte Leandra wieder - es war einer der beiden, die sie entführt hatten.
»Na? Findest du dich zurecht?«, raunte er.
»Jaja«, sagte sie missgelaunt. »Die andern haben es mir beschrieben. Gibt es hier nichts zu essen?«
Der Mann sah sie seltsam an; dann deutete er mit dem Daumen über die Schulter. »Geh zum Schankwirt, der gibt dir was.«
Sie folgte dem Ratschlag des Mannes und ging zu dem dicken Mann, der hinter dem Tresen Gläser putzte. Er hatte ein lustiges Gesicht, und als sie sich ihm näherte, starrte er lüstern auf das, was er durch das Hemdchen sehen konnte. »Ei, sieh mal... was haben wir denn da für ein hübsches Ding? Du bist neu, was?«
Leandra nickte. »Ich hab Hunger!«
Der Wirt lachte leise und wischte sich die Hände an seiner schmutzigen Schürze ab. »Das haben wir gleich!«, sagte er und verschwand um die Ecke. Kurz darauf kam er mit einer gefüllten Suppenschale wieder, in der sich irgendein dickflüssiger Eintopf befand. Ein Stück Brot hatte er auch dabei. »Ist nicht mehr ganz heiß, schmeckt aber gut«, sagte er. »Hab ich selber gekocht!«
Er stellte es vor Leandra auf den Tresen und blickte sie erwartungsvoll an.
Leandra holte tief Luft. Noch nie hatte sie jemand so angeglotzt, schon gar nicht, wenn sie nicht in der Lage war, sich irgendwie zu bedecken. Seufzend gab sie die Versuche auf, sich so hinzustellen, dass der Kerl weniger sah.
Es war hoffnungslos.
Sie musterte sein Gesicht und kam zu dem vorläufigen Schluss, dass er keiner von den wirklich Bösen war. Er wirkte verschmitzt und albern, aber keinesfalls brutal. Vielleicht ließ sich daraus etwas machen.
»Wollen mal sehen, mein Hübscher, ob du gut kochen kannst«, sagte sie.
Der Wirt ließ ein Kichern hören und grapschte nach ihrer linken Brust. Sie gab ihm einen heftigen Klaps auf die Finger. »Pfoten weg!«, rief sie. Der Wirt machte sich nichts aus ihrer Gegenwehr und grinste.
Sie schlürfte lautstark die Suppe und überlegte, wie sie ein paar Punkte bei dem Mann machen konnte.
Möglicherweise gelang ihr das, wenn sie sich ein wenig so benahm, als wäre sie durchaus schon in solchen Läden wie diesem hier gewesen. Als sie mit der Suppe fertig war, blickte sie in die Runde und sagte: »Kann man hier nicht was verdienen? Ich meine ...«
»Oh!«, machte der Dicke. »So, wie du aussiehst...! Warte mal... ich geb dir ...«Er kramte in seiner Tasche und holte eine große Handvoll Münzen heraus. Er ließ sie auf den Tisch klimpern. Es waren fast nur Goldfolint - ein ziemlicher Haufen Geld.
Leandra winkte ab. »Das würde Guldor nicht gefallen. Außerdem bist du nicht mein Geschmack, Dickerchen!
Ich meinte eher hier, mit den Gästen ...«
Der Schankwirt schien nicht böse zu sein, er ließ sich jedoch nicht davon abbringen, Leandra zu betrachten.
»Schade«, säuselte er grinsend.
»Nun, was ist?«
Der Dicke wies in die Kneipe. »Jetzt ist es zu spät, aber morgen ... Komm doch am Abend mal runter!« Er beugte sich zu ihr hin und flüsterte: »Wenn du was verdienst und schlau bist, dann gibst du dein Geld mir. Ich heb es auf und geb es dir dann später ... sagen wir die Hälfte. Guldor würde dir sicher alles abnehmen!«
Sie nickte ihm bedächtig zu. »Darüber lässt sich reden, Dickerchen. Wo ist das Klosett?«
Er deutete nach hinten in einen Gang. »Bist du sicher, dass du mit mir nicht willst, kleine Schönheit?«
Sie verzog das Gesicht. »Nein!« Dann wandte sie sich um und marschierte in die angegebene Richtung. Als sie die Toilette erreicht hatte, knallte sie die Tür zu und lehnte sich stöhnend dagegen. Sie erblickte ihr Gesicht in einem halbblinden Spiegel und fragte sich, ob es eine gute Idee war, das leichte Mädchen zu spielen. Sie kam sich dämlicher vor als je zuvor in ihrem Leben, und eine solche Rolle überstieg ihre Kräfte. Trotzdem - wenn sie nicht an irgendeinen
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