Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
Hellamis raue Worte trafen hart, aber sie taten ihre Wirkung. Gestern Abend noch war unter den Mädchen so etwas wie ein Funke der Hoffnung gekeimt - den durften sie jetzt nicht fallenlassen.
Mit einer Kraftanstrengung drängte sie die Tränen zurück. Dann richtete sie sich auf.
»Du hast Recht!«, sagte sie nach einigen Momenten. Sie nahm sich die Zeit, wieder Kräfte zu sammeln. Hart schluckte sie ihre Verzweiflung herunter und wischte sich die Tränen aus den Augen.
Offenbar erwarteten die anderen, dass sie etwas sagen sollte, aber sie wusste nicht, was. Sie war zum Hoffnungsfunken der Mädchen geworden, obwohl sie so hilflos dasaß, hilfloser noch als die anderen. Dann wurde ihr klar, dass sie sich diese Rolle selbst zuzuschreiben hatte - durch ihren wütenden Angriff auf den schwarzen Kerl. Es war nun an ihr, diese Hoffnung am Leben zu erhalten. Aber was konnte sie tun?
Sie blickte auf und studierte die Gesichter der anderen. Dann kam ihr eine Idee, wie sie einen Zusammenhalt erzeugen könnte, indem sie den Mädchen eine gemeinsame Aufgabe gab.
»Wir müssen hier raus«, sagte sie. »Ich hatte gestern Abend auch schon eine Idee, aber darüber müssen wir erst noch sprechen. Auf jeden Fall möchte ich, dass ihr mir etwas versprecht. Lasst uns gemeinsam etwas schwören!«
Niemand antwortete, alle starrten sie gebannt an.
»Wenn wir hier raus sind«, sagte sie, »dann müssen wir versuchen, Alina von diesem Kerl wegzuholen.«
Dieser Gedanke schien alle zu befremden, das war deutlich zu sehen. Jede von ihnen hatte nichts Wichtigeres im Sinn, als ihr eigenes Leben zu retten. Aber dann konnte Leandra sehen, wie diese entschlossene Forderung ihre Wirkung tat. Ihre Idee war gut gewesen. Das Schicksal Alinas hätte jede von ihnen treffen können. So verrückt die Idee auch war, Alina zu befreien, und so wenig Vorstellung sie auch hatten, wie ihnen das gelingen könnte - es gab ihnen eine gemeinsame Aufgabe. Zusammenhalt war jetzt das wichtigste. Die Mädchen nickten eines nach dem anderen. Es war tatsächlich wie ein Schwur. Er setzte voraus, dass ihnen die Flucht gelingen würde - ja, er machte die Flucht auf irrwitzige Weise zu einer bereits vollzogenen Tatsache, obwohl sie noch Meilen davon entfernt waren.
»Irgendetwas ist mit Alina«, sagte Leandra und wischte sich die letzten Tränen fort. »Ich bin sicher, der Mönch hat sie nicht zufällig ausgewählt, jedenfalls nicht, weil sie die Schönste von uns war.« Sie sah Azrani eindringlich an, da sie eine unterschwellige Eifersucht auf Alina verspürte. »Alina trug eine Tätowierung am Handgelenk ... hier.« Sie deutete auf die entsprechende Stelle an ihrem eigenen Handgelenk. »Es war ein kleiner Drache in einem Dreieck. Sagt das jemandem was?« Sie schüttelten alle den Kopf.
»Ist auch egal. Ich bin überzeugt, dass sie nicht zufällig hier war. Vielleicht ist keine von uns zufällig hier!«
»Aber was sollen wir für sie tun?«, sagte Roya, die zum ersten Mal, seit Leandra hier war, ihre Stimme vernehmen ließ. Dadurch erlangte sie mit einem Mal eine wahrnehmbare Persönlichkeit. »Gegen solche Männer anzukommen, braucht es da nicht... Krieger? Richtige Kämpfer? Wir sind doch nur ein paar Mädchen!«
Leandra nickte. Sie betrachtete Roya und versuchte, sich ein Bild von ihr zu machen. Auch sie war sehr schön, mittelgroß, etwas südländisch wirkend mit glatten, schwarzen Haaren und sanften Gesichtszügen. Sie mochte ein lustiges Mädchen sein - in einer anderen Umgebung.
Zweifellos hatte Roya Recht. »Kennst du solche Männer?«, fragte Leandra. »Richtige Krieger, die der Spur eines verschleppten Mädchens folgen würden, von der niemand weiß, wer sie überhaupt ist?«
Roya schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Nein, leider nicht«, sagte sie.
»Ich mache mit!«, sagte Marina entschlossen.
»Ich auch!«, hörte Leandra zum ersten Mal Jasmins Stimme.
»Gut«, sagte Leandra. »Wir müssen über den Plan reden, und ob er so funktionieren kann. Er ist eigentlich ganz einfach...«
Leandra erklärte zunächst, dass sie eine Adeptin der Magie war, was die anderen zu gehörigem Staunen veranlasste. Sie rückte jedoch diese Tatsache ins richtige Licht und lieferte die Ernüchterung damit gleich nach.
Sie hatte vor, am Abend in die Kneipe hinunterzugehen, zum Schein mit irgendeinem fahrenden Händler anzubandeln und ihn zu bestechen, dass er Kleider für sie besorgen und sie in einem Wagen von hier wegbringen würde.
Das löste heftige
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